Fritz Neuhaus 03 - Nichtwisser
Medizin studiert. Examen vor einem Jahr. Findet keine Stellung. Lebt bei den Eltern. Hält sich mit Jobs über Wasser.«
»Aha.«
Die Bedienung strahlte uns an. »Guten Morgen. Bin sofort fertig.«
Wir setzten uns.
»Was willst du von der Rosi?«
»Jemand hat mir doch gestern etwas in meinen Orangensaft getan. Da war niemand außer Rosi.«
Rosi war fertig. »Was darf es denn sein?«
Ich bestellte einen Milchkaffee und ein Croissant. Martin Degrange wollte nichts.
»Habe gerade gefrühstückt.«
Rosi brachte den Milchkaffee und das Croissant.
»Warum haben Sie mir gestern eine Pille in den Orangensaft geworfen?«
Sie wurde rot bis unter die Haarwurzeln. Martin schaute erst verdutzt, begriff aber sofort.
»Rosi, wie war das?«, setzte er noch eins drauf.
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden«, stammelte sie.
»Rosi, hast du wirklich den Eindruck, dass wir nicht wissen, wovon wir reden?«
»Was denn für eine Pille?«
»Genau das wollen wir von dir wissen.«
Rosi schwieg. Sie knetete ihre Hände und schaute in alle Himmelsrichtungen gleichzeitig. All ihr Liebreiz war verschwunden.
»Da war doch gestern niemand außer Ihnen und mir an meinem Tisch.«
So schnell gab Rosi nicht klein bei.
»Da saßen doch überall Leute.«
»Rosi, wir ermitteln in einer Mordsache. Du bekommst richtige Scherereien.«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden.«
Sie ging mit wehender Schürze. Martin Degrange folgte ihr. Ich sah ihn auf sie einreden. Sie kamen beide zurück.
»Rosi hat was zu sagen.«
Rosi war kurz davor, die Fassung zu verlieren.
»Eine Frau kam hierher und sagte, sie wollte einen Test machen. Das war vor etwa zwei Monaten. Ich sollte Gästen ohne deren Wissen Pillen in die Getränke tun. Es würde sich um einen Test handeln. Ich bin fertige Medizinerin. Das wusste sie. Ich sollte die Gäste beobachten und kurze Gutachten schreiben. Sie hat mir dafür 5.000 Euro gegeben. Auf die Hand. Ich musste eine Klausel in einem Vertrag unterschreiben, die mich zum Schweigen verpflichtete. Ich sei jetzt Geheimnisträger.«
»Wer hatte den Vertrag ausgestellt?«, fragte ich.
»Weiß ich nicht. War mir auch egal. Die 5.000 Euro fand ich sehr überzeugend.«
»Und dann?«
»Man hat mir die Pillen gegeben und dann habe ich das gemacht. Es ist nie viel passiert. Vier Gäste wurden unheimlich fröhlich. Fünf waren etwas abgetreten. Die Augen leicht glasig. Manche von ihnen liefen teilnahmslos herum. Wie Alzheimerpatienten. Ich habe sie dann einfach wieder auf einen Stuhl gesetzt. Diese Zustände hielten mehrere Stunden an. Danach gingen sie, als wäre nichts gewesen. Ganz normal. Auch später, wenn sie mal wiederkamen, schienen sie sich an nichts zu erinnern. Ich hab sie so gefragt. Haben Sie sich wieder erholt? Von neulich? Rosi, es war doch gar nichts, sagten sie, oder so etwas. Das beruhigte mich natürlich.«
»Rosi, war das alles?«
»Was soll ich denn sonst noch erzählen?«
Jetzt machte Rosi einen auf treuherzig doof. Sie war nicht doof. Ein kleines Luder hinter einer hübschen Fassade, die bedenkenlos ihren Gästen Drogen in den Kaffee schmiss. Als Ärztin wusste sie, was sie tat.
»Ich kann dich auf der Stelle verhaften.«
Degranges Stirn war bewölkt wie die eines Gewittergottes.
Rosi wusste, dass es für sie jetzt sehr eng wurde. Sie presste ihre Lippen zusammen. Ihr frischer Teint war jetzt eher käsig. Sie würgte, als steckten ihr die Worte im Hals wie spitze Fischgräten.
»Rosi, die Karten auf den Tisch!«
»Nur einer ist völlig ausgerastet. Da kam ein Krankenwagen. Da war ich doch erschrocken.«
»Und was ist mit den Berichten passiert? Wem haben Sie sie gegeben?«
Rosi schaute mich an und zuckte mit den Schultern.
»Ja, was?«
»Ich habe die Berichte immer noch.«
Martin Degrange schaute sehr ernst.
»Rosi, der mit dem Ausraster, war das Michel Kreutzer, den sie vor drei Wochen in die Psychiatrie eingeliefert haben?«
Rosis Blicke irrten orientierungslos über den Markt. Mit ihren Händen zerknautschte sie ihre Schürze. Sie wusste, was diese Frage des Polizisten bedeutete.
»Ja«, hauchte sie.
»Wer hat Ihnen denn die Pille gestern gegeben?«
Ihr Blick streifte mich kurz, um sofort weiter zu schwirren. Rosi war an der Grenze ihrer Beherrschung.
»So einer mit einem schmalen Schnurrbart. Und ein Dicker.«
»Der an Fingernägeln kaut?«
»Ja.«
»Na, prima.«
Ich drehte mich zu Martin um.
»Die waren schon bei mir zu Hause in Berlin.«
In Martin Degranges
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