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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Tante Elma war über diese Freundschaft zu dem Tierarzt, die beide Herren weit im Lande herumführte, nicht sehr glücklich, denn der Tierarzt soff, wie man bei uns zu sagen pflegte, >Steine aus der Erde<.
    Ich hielt Onkel Aurel für einen unermeßlich reichen Mann, denn Tante Elma beschäftigte nicht nur ein Dienstmädchen, sondern gleich zwei, dralle, junge Marjellen, von denen eine Vera und die andere Julenka hieß. In jenen Kallinower Tagen rissen mich zuweilen seltsame Geräusche aus dem Schlaf, denen ich mehr interessiert als ängstlich nachlauschte, polternde Tritte, Gekreisch aus der Mädchenkammer, lautes Türenschlagen, das Klirren von Scherben, und einmal ein Schuß aus Onkel Aurels Jagdgewehr, den irgend jemand wahrscheinlich zur Kundgebung seiner Freude abgefeuert hatte. Am nächsten Morgen fragte mich Tante Elma mit verquollener Stimme, ob ich etwas gehört hätte, und als ich ihre Frage bejahte, da schärfte sie mir ein, daß ich um Himmels willen kein Wort davon den Großeltern oder den Eltern in Königsberg erzählen solle. Daheim nannten sie den Onkel Aurel, so oft auf ihn die Rede kam, nur den Aurelius Piepus, was in meinen Ohren recht scherzhaft klang, und so war ich davon überzeugt, daß es nur scherzhafte Dinge sein könnten, die er mit seinem Freund Bolutus nächtlicherweile in der Mädchenkammer anstellte.
    Allzu häufig bekam ich ihn in Kallinowen nicht zu sehen, denn er war zu Werbekampagnen für sein Kälber-Durchfall-Mittel oft unterwegs. Diese Fahrten führten ihn bis nach Drygallen und sogar bis nach Marggrabowa hinauf, und dort kehrte er mit seinem Freund Bolutus an einem Markttag — der Ort besaß den größten Marktplatz von ganz Deutschland — im Hotel Piontek ein, um zu Mittag zu essen. Vor dem Essen trank man ein Schnäpschen, und eins während des Essens, und eins darnach, und weil man schon dabei war und am frühen Nachmittag ohnehin nichts Rechtes zu tun hatte, blieb man in der Gaststube sitzen. Schon zur Mahlzeit hatte sich der verwitwete und pensionierte Volksschulrektor Perkun zu ihnen gesellt, ein großer Tierfreund und Züchter von Vorstehhunden, der außer seinen Hunden einen sprechenden Papagei und einen Esel besaß. Und wie es sich so ergab, kamen die Herren auf Fütterungsprobleme, Kälberdurchfall, Welpenaufzucht und schließlich auch auf den Esel zu sprechen, über dessen Risthöhe es zwischen dem alten Rektor und dem Tierarzt zu Meinungsverschiedenheiten kam. Der Rektor Perkun, dem der Esel schließlich seit fünf Jahren gehörte und der ihn auf Grund dieser langen Bekanntschaft genau zu kennen behauptete, schwor darauf, daß der Esel im Rist handbreit höher als der Tisch sei, an dem die Herren saßen. Der Tierarzt Bolutus hingegen, der es ja von Berufs wegen wissen mußte, ließ es sich nicht nehmen, daß der Esel höchstens so hoch wie der Tisch, wenn nicht sogar fingerbreit kleiner sei. Onkel Aurel, der endlich zu einem Skat kommen wollte, beschloß, dem Streit ein Ende zu machen, er winkte den Hausknecht heran und befahl ihm kurzerhand, das Objekt des Streites herbeizuholen. Während der Hausknecht unterwegs war, wetteten Rektor und Tierarzt in eigensinniger Verbissenheit um drei Lagen Grog auf tischhoch oder darüber. Bald darauf traf der Hausknecht mit dem Esel ein, und da die Gaststube zu ebener Erde lag, der Esel fromm und die Herren die einzigen Gäste im Raum waren, bestanden keine Bedenken, die Probe aufs Exempel im Lokal vorzunehmen. Der Esel wurde also an den Tisch geführt und — gelernt ist eben gelernt! — der Doktor gewann die Wette, denn der Esel reichte nicht einmal an die Tischplatte heran. Die erste Lage des verwetteten Grogs rollte an, und während die Herren sich zuprosteten, stand der Esel brav und stumm zwischen ihnen und wurde von Herrn Bolutus zum Lohn dafür, daß er ein Esel von Normalmaß war, mit Würfelzucker gefüttert. Den Grog tranken die Herren ohnehin ungezuckert.
    Indem ging die Tür der Gaststube auf, und der Bezirksbauinspektor Kapust trat ein. Da er allen drei Herren wohlbekannt war und mit ihnen schon manchen Skat gedroschen hatte, nahmen sie an, daß er sich zu ihnen setzen werde. Er trat auch einen Schritt näher, dann aber stutzte er, fuhr sich über die Augen, wurde blaß, murmelte einen flüchtigen Gruß, machte kehrt und verschwand aus dem Lokal. Die Herren fanden dieses Benehmen ausgesprochen ungehörig und fragten einander, ob einer von ihnen etwa in letzter Zeit mit dem Kreisbauinspektor einen unangenehmen

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