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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Okuli wieder einmal über das elfte Gebot reden, das der Herrgott seinem Diener Moses auf dem Berg Sinai auf die Gesetzestafeln geschrieben hätte, wenn er euch Halunken gekannt hätte — das Gebot, das da lautet: Du sollst nicht saufen! Gewißlich hat unser Herrgott nichts dagegen, daß der Mensch, ob Mann oder Weib, nach dem Erwachen zur Stärkung des Leibes und der Seele einen Schnaps trinkt. Und wenn er den Morgenimbiß mit einem oder zwei Schnäpschen anfeuchtet, so wird unser Herrgott beide Augen zudrücken. Und ER wird es seinen Geschöpfen auch nicht mißgönnen, wenn sie bei der schweren Feldarbeit ab und zu einen Schluck aus der Flasche nehmen. Der liebe Gott und Vater weiß auch, daß zu einem fetten Mittagsmahl einige Gläschen gehören, denn sie fördern die Verdauung.
    Und so kann der Schnaps, in vernünftigen Mengen genossen, dem Menschen auch bei der Schweinevesper am Nachmittag nur nützlich sein. Gleichermaßen gehört die Flasche zur Anregung des Appetits und zur Kräftigung der Körpersäfte auf den Abendbrottisch. Und nicht einmal der Herrgott wird es einem Christenmenschen verwehren, vor der Nachtruhe einen kräftigen Schlummertrunk zu nehmen, der den Magen besänftigt und die bösen Triebe dämpft. Aber zum Donnerwetter, ihr Hundsfötter, muß das denn gleich zum Saufen ausarten?! Und nun geht im Namen des Herrn in Euch, wie ich vor dem Herren in mich gegangen bin — Amen.
    Man erzählte nämlich, Pfarrer Pogorcelski habe diese bemerkenswerte Predigt in Anwesenheit eines höheren Synodalen gehalten, den ihm das Konsistorium zur Visitation und Berichterstattung geschickt hatte, nachdem er einige Male während voraufgegangener Predigten betrunken von der Kanzel gefallen war. — Was Tante Elma veranlaßte, mich nach wenigen Tagen aus der Apotheke aus- und bei Leitners einzuquartieren, ist mir erst in späteren Jahren klar geworden. Ich hatte gegen die Verlegung nichts einzuwenden, denn es grauste mir ein wenig vor Tante Elmas Küche, nachdem ich in der Vanillesoße zu einem Himbeerpudding mehr tote Fliegen als Vanillestückchen entdeckt hatte. Außerdem aber waren inzwischen die Sommerferien angebrochen, und eine Schwester von Herrn Leitner war mit ihren beiden Kindern aus Angerburg zu Besuch gekommen. Der Martin und die Selma waren ein wenig älter als ich und gingen schon zur Schule, aber sie nahmen mich in Gnaden auf, weil sie ein Kasperle-Theater aus Angerburg mitgebracht hatten und in mir einen dankbaren
    Zuschauer fanden. Ich zahlte das Theaterabonement mit Lakritzenstangen und Laxinkonfekt, das ich aus Onkel Aurels Apotheke klaute; es waren kleine, in Blechschachteln verpackte Geleehütchen mit einem angenehmen Fruchtgeschmack. Daß es sich bei diesem Konfekt um ein höchst wirksames Abführmittel handelte, haben wir zwar zu spüren bekommen, aber nie auf die schmackhaften Geleehütchen zurückgeführt. Ich fühlte mich bei Leitners bald wie zu Hause und wurde von ihnen behandelt, als gehörte ich zur Familie. Herr Leitner war nicht nur Gastwirt, Kolonial- und Eisenwarenhändler, er unterhielt auch einen Fuhrbetrieb, besaß im Dorf die größte Landwirtschaft und war in einem Wald, der sich bis zur russischen Grenze hinzog, Jagdherr. Er nahm uns Kinder in seinem leichten Wagen mit, wenn er zur Vorbereitung der Herbstjagd vom Hochsitz aus den Rehbestand inspizierte, er zeigte uns, wie man mit einem gegabelten Stock Kreuzottern fing, und wir durften auf den Leiterwagen klettern, wenn Grummet und Roggen eingefahren wurden.
    An einem heißen Julitag veranstaltete er eine Waldpartie, an der auch Tante Elma trotz ihres vorgerückten Zustandes teilnahm. Frau Leitner konnte nicht mitmachen, da einer von der Familie schließlich daheim die vielfältigen Geschäfte weiterführen mußte. Dafür war die Mutter von meinen Freunden Martin und Selma dabei, und der Kallinower Pfarrer mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Quer über den Leiterwagen waren Bretter geschlagen, der Wagen mit Tannengrün und Birkenzweigen geschmückt, die Pferde hatten Glöckchen am Kopfgeschirr, und unter dem breiten Kutschbrett standen Körbe mit Flaschen, Schüsseln voll Heringssalat und Pakete mit belegten
    Broten. Wir Kinder hatten leere Milchkannen dabei, in die wir Erdbeeren sammeln sollten, denn als Krönung des Waldfestes wollte Herr Leitner eine Erdbeerbowle ansetzen. Die Sonne stach schon beim Aufbruch so heiß vom Himmel hernieder und die Luft war so drückend schwül, daß Herr Leitner das Heraufkommen eines

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