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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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nannten, wurde mir bereits bei der ersten Bekanntschaft mir ihr klar. Sie litt unter fürchterlichen Blähungen und tat sich, um sich von den quälenden Winden zu befreien, nicht den geringsten Zwang an. Die dicken, selbstgeschneiderten Röcke aus alten Wolldecken, von denen sie im kalten Keller im Sommer drei und im Winter fünf trug, vermochten den Donnerschall der Entladungen nicht zu dämpfen. Und jedesmal seufzte sie tiefbefriedigt: »All wedder ’ne Doktorrechnung jespart« oder: »Immer raus, was keine Miete zahlt!« — Das Braunbier, ein dünnes Malzgesöff, füllte sie selber ab, indem sie den Gummischlauch, der aus dem Spundloch des Fasses hing, ansaugte und das Bier in die Flaschen oder Kannen rinnen ließ. Es dauerte nicht lange, bis ich ihr Vertrauen in so hohem Maße gewann, daß sie mich dieses wohlschmeckende Geschäft besorgen ließ, ja, sie vertraute mir nicht nur den Bierverkauf, sondern auch den Handel mit Obst und Gemüse an. Zumeist war Meta Dalgahn aus dem Hinterhaus dabei, die mich nach anfänglicher Eifersucht bei Frau Puschke eingeführt hatte, denn bis dahin durfte sie das Abfüllen des Braunbiers allein besorgen. Metas Vater war Lokheizer und kam nur zum Schlafen heim. Mutter Dalgahn betrieb im Hinterhaus eine Wäschemangel, einen riesigen Apparat mit zentnerschweren Walzen, die durch eine Kurbel in Bewegung gesetzt wurden. Es kribbelte im Magen, wenn man sich an die Kurbel hängte und von ihrem Schwung hoch und herum reißen ließ, aber die größte Anziehungskraft, die mich immer wieder in die feuchtwarme Mangelstube lockte, besaßen die dick mit Zucker bestreuten kalten Kartoffelpuffer, die sich zu jeder Tageszeit in einem Teller auf dem Fensterbrett stapelten. Wenn sie zur Neige gingen, überließ Frau Dalgahn die Mangel einem der Dienstmädchen, die neue Bügelwäsche brachten oder fertige abholten, stellte sich an den Herd und backte einen neuen Vorrat.
    Dem Dittchen ging es nicht anders als mir. Er schlich auf seinen krummen Beinen kummervoll dahin und verzehrte sich in Heimweh und Sehnsucht nach dem Bouvainschen Hof und nach den Stallungen mit dem herrlichen Geruch nach Pferdemist und nach den Katzen, die er kläffend ins Gebälk hochgejagt hatte. Was bot sich ihm hier schon an Abwechslungen? Das war doch kein Hofplatz, das war ein von grauen Häusern und einer Mauer umpferchtes enges Kiesquadrat, in dessen Mitte ein Walnußbaum verkümmerte und an dessen Mauer stinkende Müllkästen aus Beton standen, die alle vierzehn Tage geleert wurden. Nie verirrte sich ein anderer Hund auf diesen Hof, und auf die Straße durfte Dittchen nicht hinaus, weil er dort womöglich von einem Radler oder von einem Fuhrwerk überfahren werden konnte. Unser Dittchen kümmerte dahin, er fraß lustlos wie in seinen schlimmsten Säufertagen, und eines Tages, nicht lange nach Pfingsten, fand Anna den Dittchen tot und steif in seinem Korb. Ich weinte ihm tagelang nach, und Anna sagte zu Mutter: »Der Dittchen, gnä’ Frau, is an nuscht anderm als am Heimweh jestorben, und wenn Sie nich bald was tun, dann jeht uns unser Jungchen auch noch ein — und wo er sich doch so auf die Schule jefreut hat...«
    Mit der Schule war nämlich etwas schiefgegangen. Vater hatte gehofft, mich zu Ostern in der Vorschule des Friedrichskollegiums, eines Gymnasiums, das in der Nähe unserer Wohnung lag, unterbringen zu können. Aber ich war für die Aufnahme in die Nona drei Monate zu jung, und man hatte Vater geraten, mich für den Michaelis-Coetus anzumelden, denn im Fridericianum gab es Parallelklassen, von denen eine den Schulbeginn zu Ostern und die andere im Herbst aufnahm. Mutter war zwar davon überzeugt, daß der Dittchen an einem der Köder gestorben war, die unser Hauswirt für die Ratten auslegte, denn im Nachbarhaus befand sich eine Bäckerei, deren Mehlvorräte Ratten und Mäuse anlockten. Aber sie setzte sich hin und schrieb den Großeltern einen Brief, in dem sie auch Annas Befürchtungen für meine Gesundheit erwähnte und nicht mitzuteilen vergaß, daß sich der Schulbeginn für mich bis zum Herbst verschoben habe. Die Antwort aus Lyck ließ nicht lange auf sich warten, und tags darauf packte Mutter einen kleinen Koffer mit meinen Habseligkeiten und brachte mich zu den Großeltern. Großvater erwartete uns auf dem Bahnsteig, und ich stürzte heulend vor Glück in seine Arme.
    »Na, nun hör schon auf zu weinen, Jungchen«, sagte er, »sonst schmeckt dir womöglich vor lauter Salz das Zuckerei nicht, mit dem

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