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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Präsenz. Jeden Abend die gleiche Strahlkraft, der gleiche Tonfall, die gleichen Tempi und Pausen, zentimetergenau in Gesten und Tätigkeiten, unangestrengt alles, ohne Übertreibung — ein großer Volksschauspieler.
    Von ihm lernte ich, mir noch mehr Zeit zu lassen, nicht mit den Sätzen herauszuplatzen, bevor nicht die Figur dasteht, lernte Pointen unauffällig vorzubereiten und sie dann herauszukitzeln, Ökonomie der Mittel, durch Beobachten und Probieren, immer und immer wieder. Das Ofte macht es! — sagt man beim Theater. Praxis holt man sich bekanntlich in der Provinz, und Schwimmen lernt man am schnellsten, wenn man ins Wasser geworfen wird.
    An diesen Satz sollte ich noch denken!

    Wer den Saal füllt, bekommt das meiste Geld. An seinen Zugpferden konnte der Veranstalter nicht sparen. Ihre mit Waschkörben voller Rundfunkhörerpost gefestigten Forderungen zwangen ihn, mit fast ausverkauften Vorstellungen zu kalkulieren. Die Konkurrenz hätte mit noch halsbrecherischeren Angeboten gelockt.
    Woher aber das Geld nehmen, wenn nicht alle Vorstellungen ausverkauft sein würden? Auch das kam vor. Wenn beispielsweise die Leute von der heranrollenden Beglückung nichts ahnten, weil jemand vergessen hatte, die lokale Presse zu unterrichten, oder weil der Plakatdrucker seine Erzeugnisse nicht wegschickte, so lang die Rechnung vom letzten Mal unbeglichen auf seinem Tisch lag.
    Zum Schutz vor solchen Unwägbarkeiten machte der Veranstalter eine simple Rechnung auf: zwei halbleere Häuser ergeben auch ein volles. Probeweise, wie er betonte, teilte er das Programm in Blöcke, die voneinander unabhängig waren, und wir spielten fortan jeden Abend in zwei Orten. Im ersten begann die Vorstellung um halb acht, im zweiten um acht.
    War ein Programmblock fertig, wurde er zum nächsten Einsatz gekarrt. Bei Entfernungen bis zu dreißig Kilometern mußte das klappen, vorausgesetzt, die nicht gerade neuwertigen Fahrzeuge spielten mit. Da die Zugpferde zuverlässige Privatwagen benutzten, konnten ihre Auftritte nach menschlichem Ermessen als gesichert gelten. Es klappte reibungslos. Auch kleinere Orte kamen jetzt in den Genuß unserer Kleinkunst — ein Versuch, den die Konkurrenz noch nicht gewagt hatte. Als der Veranstalter allzu behaglich aufatmete, stellten sich die Zugpferde quer. Sie erklärten ihm, das Versuchsstadium sei nun beendet und er müsse für zwei Vorstellungen auf jeden Fall anderthalbfache Gage bezahlen. Auch den unvermeidlichen Randfiguren. Er verstand sofort, und das Ensemble dankte mit erhöhter Spiellaune. Die wiederum verbreitete sich auf dem flachen Land und schlug zu Buche.
    Vom Erfolg gepolstert, machte der Veranstalter alsbald eine weitere Rechnung auf: in drei Orten spielen, für doppelte Gage. Beginn in A um sieben, in B um halb acht, in C um acht. Da die Zugpferde nicht nur einmal auftraten und nicht zu lange auf sich warten lassen durften, mußte das Programm weiter unterteilt werden. Das Konzept war einfach, es kostete lediglich mehr Benzin. Das Ensemble zeigte sich freudig bereit.
    So begann der Abend in A mit einem Publikumsliebling gleich zünftig. Fünf Minuten später fuhr der Star nach B, kehrte zur Schlußnummer noch einmal nach A zurück und fuhr dann direkt nach C.
    Mir bescherte die neuerliche Umstellung den Aufstieg zum Hilfsconférencier, mit einem zusätzlichen Auftritt von satten anderthalb Minuten. Aus technischen Gründen. Eine Gagenerhöhung entfiel. Der Veranstalter machte mir seine Notlage als meine Chance klar und überließ es mir mit Gönnergeste, den Text selber zu gestalten. Einzige Bedingung: er müsse mit Ansage der nächsten Nummer enden.
    Gestartet wurde der dreifache Tourneesalto an der Aisch. In Windsheim, Illertissen und Neustadt. In W lag der Saal unseres Auftritts im Obergeschoß eines Wirtshauses. Auf der fest eingebauten Bühne fanden sich zwei Dekorationen: Ritterburg und deutscher Wald. Wir entschieden uns für den ozonreicheren Prospekt. Auch ein Klavier stand da, von vertretbarer Tonqualität. Kopfzerbrechen bereitete uns dagegen der Zugang zur Bühne. Er führte über eine Treppe an der Seite, neben dem Vorhang und durch den Saal. Bei dem Kommen und Gehen der Programmblöcke zumindest störend.
    Hinter der Bühne war es eng wie im Gang eines D-Zugwagens, doch mit Fenstern nach drei Seiten. Vielleicht ließe sich eine Leiter finden? Dieser Idee widersetzten sich die Damen, man solle besser nach einer spanischen Wand suchen, um ungesehen vom Treppenhaus hinter

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