Fröhliche Zeiten
menschliche Psyche geschaffen ist — der Schreck kam erst hinterher.
Die nächste Überraschung ließ indes nicht lange auf sich warten. Beim Herzog auf dem Ringberg — Durchlaucht nahmen gerade ein Fußbad gegen die Kälte — fand er in dem für sein Architektenauge nicht unbedingt geglückten Bau kein geeignetes Versteck. Der alte Herr war in Eile. Er mußte nach Gmund, hatte aber kein Auto und so nahm er ihn mit.
Wohin mit dem Schatz, für den jetzt er allein die Verantwortung trug?
Die Schweizer Gesandtschaft entfiel. Da es sich um Staatseigentum handelte, hätte sie bei den Machthabern rückfragen müssen, und die Beziehungen waren frostig. Er lud den Herzog ab und besuchte Freunde in der Gegend. Ohne zu fragen, was er geladen habe — damals versteckte jeder irgend etwas — nannten sie ihm ein nachgerade ideales Versteck bei einem Bauern in der Ortschaft Ostin.
Normalerweise besitzt der bayerische Bauernhof nur einen einzigen Kellerraum. Dieser Hof jedoch, das wußten die Freunde zufällig, hatte unter dem Keller einen zweiten.
Minuten später hielt Tino Walz vor dem Gehöft. Unter Berufung auf die Freunde, mit Schweizer Paß und dem Hinweis, es handle sich um Akten, die in der Gesandtschaft keinen Platz mehr hätten, gelang es ihm, dem Bauern ein Nicken abzutrotzen. Mitentscheidend war gewiß auch die Überlegung, es könne in diesen Zeiten vielleicht nützlich sein, einer ausländischen Mission einen Dienst erwiesen zu haben.
Gemeinsam schleppten sie die Kisten in das tatsächlich kaum zu findende Versteck. Das fränkische Zeremonienschwert, gut eingewickelt und zum faltbaren Kartenständer ernannt, krönte den Schatz wie ein überdimensionaler Briefbeschwerer.
Der Bauer schloß die Deckenklappe und schaufelte seine beträchtlichen Reserven an Kartoffeln darüber.
Jetzt konnte Tino Walz nur noch hoffen.
Mit allerletztem Kanonendonner kam die Befreiung. Wie ein neues Jahr. Während das geschundene Volk endlich alarmfrei durchschlafen konnte, fuhr sein neutraler Schatzbewahrer im Bett hoch und wußte: Ich muß schnellstens nach Ostin!
Da ergab es sich in diesen Tagen der unvorstellbaren Zufälligkeiten, daß ein amerikanischer Offizier — Major Baruch — nach Professor Klaus Bumke, dem Arzt des toten Diktators suchte und Tino Walz den Aufenthaltsort kannte. Wie beim Konvoj des Stabes Rosenberg bot er sich an, den Major hinzufahren. Bedingung: Fahrerlaubnis und Benzin.
Anderntags brachte der Schweizer den Amerikaner zum deutschen Arzt des Österreichers. An der Unterredung nahm er nicht teil, sondern nutzte die Zeit, nach Ostin zu fahren.
Der Hof stand noch, die Bauern waren am Leben.
Und drinnen?
Zurückflutende deutsche Soldaten hatten den Kartoffelberg so weit eingeebnet, daß keine nachdrängenden Amerikaner flüchtige Parteigenossen darunter suchten.
»Ois no do !« versicherte der Bauer. Alles noch da. Andächtig stand Tino Walz vor den Kartoffeln, die die Kronen krönten. Ein Gedanke kam ihm in den Kopf und gerann sofort zur Gewißheit: Jetzt werden die Sieger nach dem Kronschatz suchen! Wie nach allem Feindbesitz von Wert.
Es blieb nur Hoffnung.
Er mußte zurück zu Major Baruch. Und auch um das ausgelagerte Cuvilliés-Theater würde er sich kümmern. Er hatte, wie sich zeigen sollte, nicht ungestraft wichtige Ämter inne.
Und wieder kam alles anders.
Das große Aufräumen begann. In München gab es für die Bauleitung der Residenz so viel Arbeit, daß er mitunter in seinem neuerrichteten Notbüro übernachtete. Nicht ungern übrigens. Der Genius loci tat ihm wohl. Er schlief königlich, in Wittelsbacher Ruhe.
Eines Morgens wurde Tino Walz um fünf Uhr früh aus dem Schlaf gerissen. Amerikanische Soldaten standen vor seinem Bett und verlangten die Bergungspapiere von Schloß Herrenchiemsee.
Das erste Versteck des Kronschatzes! Nun waren sie auf der Spur.
Noch schlaftrunken, mußte er doch ein Lächeln unterdrücken. Papiere seien nicht da. Sie könnten sich überzeugen.
Den Amerikanern genügte die Auskunft. Sie beschlossen, umgehend nach Herrenchiemsee zu fahren. Verwundert über ihre Eile schlief er wieder ein. Vormittags gegen elf platzte ihm ein weiterer Trupp Amerikaner in die Arbeit. Mit demselben Begehren. Auch sie begnügten sich mit derselben Auskunft und zogen ab. Zum Mittagessen fuhr Tino Walz nach Hause. Kaum hatte er sich zu Tisch gesetzt und seiner Frau von den Besuchen erzählt, sah er durchs Fenster Soldaten in seinem Garten, das Gewehr im Anschlag. Die
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