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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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sie den neuen Lebensstil; statt lässig wie die Amerikaner, waren sie aufdringlich, protzig. Allen, die mit ihnen zu tun hatten — und wer wollte nicht mit ihnen zu tun haben, auch wenn sie Typen waren, mit denen man ohne Not gewiß nichts zu tun haben will — allen zeigten sie’s. Daß es ihnen in kürzester Zeit gelungen war, mit den Siegern gleichzuziehen.
    Auch in den Nachbarländern, mittlerweile von uns befreit, verfiel man dem zwischen den beiden Kriegen legendären Onkel aus Amerika, der seine kontinentale Verwandtschaft das Staunen lehrte. Weil er mehr hatte, weil bei ihm alles größer, besser und schöner war. Leute, die es mit undeutlichen Geschäften zu Wohlstand bringen, hat es immer gegeben. Sie sind nur leiser aufgetreten. Ohne das Vorbild fremder Sieger im Lande, denen nachzueifern Wert und Tüchtigkeit bestätigt, hat mancher seit den Gründerjahren eine Marktlücke ausgenutzt, samt den dazu erforderlichen Mitmenschen. Er tat es unauffällig, blieb strebsamer Bürger unter strebsamen Mitbürgern.
    Erst die Erben zeigten Besitz wie etwas Selbstverständliches. Ein imposantes Verwaltungsgebäude, eine palastartige Villa als Ausdruck von Fleiß, Stolz auf Leistung, Sicherheit für die Beschäftigten. Gleichgültig, wie das Vermögen zustandegekommen war — nach ein paar Jährchen pochte man auf Tradition, gab sich solide wie solvent und auf das Allgemeinwohl bedacht.
    Insofern wäre der Schieber mit seiner Sucht, schnell reich zu werden, ehrlicher und gleichzeitig lebender Beweis dafür, daß Ehrlichkeit im Geschäftsleben nicht notwendig zu Erfolg führen muß.
    Dann brachte die Währungsreform alles durcheinander. Statt zu viel Geld für zu wenig auszugeben, hatten wir plötzlich zu wenig Geld für zu viel, das es über Nacht zu kaufen gab. Da Lebensmittel rationiert blieben, mußten wir nicht völlig umlernen, der illegale Handel blühte weiter. Wir überstanden den staatlichen Eingriff, die Umstände normalisierten sich, dunkle Senkrechtstarter verschwanden mit dem Schwarzen Markt, der sie hervorgebracht hatte.
    Manche von ihnen entwickelten Ideen parallel zum gemachten Geld, wurden geehrte Unternehmer, republikanische Kaufleute mit Wohltätigkeit und Stiftungen für die Allgemeinheit.
    Zusammen mit allen andern, die schon kaufkräftiger geworden waren, es aber noch nicht geschafft hatten, wie man sagt, verfielen sie einem weiteren Onkel aus Amerika — der Werbung überseeischen Zuschnitts. Klotzig kam sie daher, verhieß schnelleren Erfolg als je zuvor und erhob gewissermaßen die Mentalität der Schieber zum Geschäftsprinzip.
    Produkte wurden auf Blickfang verpackt, für den kontinentalen Geschmack angeberhaft gestylt und mit Sex als Köder an den Mann gebracht.
    Habsucht bestimmte und brutalisierte fortan unser Leben.
    Hast du was, bist du was.
    Um es möglichst schnell zu haben, um sich den andern in Siegerpose als Winner zu zeigen, kaufte man bis an die Grenze der Belastbarkeit auf Raten, was frühere Generationen als unseriös abgelehnt hätten. Nachbarn fingen an, mit der Größe ihrer Schwimmbecken zu konkurrieren, mit Häusern, Autos, Büros, Antiquitäten und Schmuck.
    Gotische Madonnen vor allem verrieten den Neureichen, der die teuren Damen zu altem Familienbesitz erklärte, den er glücklicherweise habe retten können. Der Sicherheit halber seien sie bis jetzt ausgelagert gewesen. Christliches Requisit für den Götzendienst — verständlich nach dem Krieg.
    Jetzt, da es möglich wurde, wollte man alles was man verloren, beziehungsweise nie besessen hatte, ersetzen oder haben, größer, besser, schöner. Die Altreichen blieben vergleichsweise bescheiden. Mit den Neuen aber mauserten wir uns zu einem Volk von Angebern. Immer neuer Prestigekram diente dem Protzproporz. Massencocktails im Grünen, Motoryacht, Juwelen, Weltreisen, erlesenstes Sportgerät.
    Erst Profiausrüstung, dann Dilettantenleistung. Politiker jeder Couleur asphaltierten den Holzweg mit der Ideologie vom endlosen Wachstum. Bis wir ihn wollten, den totalen Krieg, um des Absatzes der Überproduktion willen. Aufschriften, immer größer, immer dicker wurden bemüht, um dem Käufer die Massenware anzudrehen. Mit einem Hauch von Elite. Super, Exclusiv, Royal, Bermuda, Kingsize, Windsor und der zum Symbol für Kraft und Überlegenheit stilisierte Buchstabe X sollen den andern zeigen, mit wem sie’s zu tun haben, mit einem Winner. Was etwas Besonderes sein soll, trägt einen fremdsprachigen Namen. Hatten die Nazis

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