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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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gehobene Lebensart von der Wiege an geläufig. Selbstironisch sprach er über seine gegenwärtige Tätigkeit, bekannte freimütig, was er der Baronin zu verdanken habe, sie sei die gute Fee in seinem Leben. Damit hatte die Beziehung zu der älteren Frau ein schickliches Gewand. Jedermann mußte ihm Taktgefühl bescheinigen, niemand wäre auf den Gedanken gekommen, er fühle sich ausgehalten.
    In diesem jungen Mann steckte Charakter. Das wurde klar, als die jüdischen Geschäftsinhaber sich anschickten, das Land zu verlassen. Überall lauerten damals nationale Geier, entschlossen, den Besitz der Emigrierenden weit unter Preis zu erwerben.
    Der Volontär sah seinen Posten gefährdet. Er wollte aber unter allen Umständen in der Textilbranche bleiben. Über die geliebte Mutter bestand ein Affekt. Verwandte von ihr hatten in ihren Tuchfabriken Uniformstoffe für die zaristische Armee gewoben. Idi, die gute Fee, nahm seinen Wunsch mit Rührung auf. Sie erklärte sich bereit, ihm den Laden zu kaufen.
    Seine Reaktion war bemerkenswert. Er willigte ein — unter einer Bedingung: Sie möge ihr nobles Angebot mit einer guten Tat verbinden und den jüdischen Besitzern den tatsächlichen Wert ausbezahlen. Man dürfe ihre Notlage nicht ausnützen.
    Über Konten der Baronin im Ausland kam der reelle Verkauf, von den neuen Machthabern unbemerkt, zustande. Nun war er Chef und hat seine gute Fee geheiratet. Nicht auf die alltägliche Weise mit Standesamt, vielmehr ganz privat. Réligieusement — wie er es nannte.
    Das Geschäft florierte nicht. Ein zu spät geborener Sonnenkönig ist eben kein Kaufmann. Was diese Talente angeht, ähnelte er mehr einem anderen Geburtstagsvetter: Lorenzo dei Medici, il Magnifico. Der hatte aus Florenz eine blühende Stadt gemacht, bis seine Kassen leer waren.
    Der Laden ging in merkantilere Hände über, Herbert Styler konnte sich wieder ganz dem Schönen und Angenehmen widmen. Mit 27 Jahren war er als Konsul von Albanien der Jüngste im Corps. Zwei Jahre später wurde er Konsul von Paraguay. Die Südamerikaner legten ihm nahe, das Deutschland des Österreichers zu verlassen. Alles wäre glatt gegangen, doch er fühlte zu europäisch, blieb und wurde Konsul von Siam, das später Thailand hieß — Land der Freien, wie er sagte.
    Auch zu Hause blieb er frei — im Widerstand. Ein kleiner, stiller Kreis, dem Idi und ihre Freundin angehörten, ferner die Frau des Polizeipräsidenten, sowie eine Dame, die sie Fleur Bleue nannten, unterhielt Kontakte zu nicht Linientreuen auf einflußreichen Posten. Über diese Beziehungen — ein Konsul kann da einiges tun — halfen sie Bedrängten ins Ausland, versteckten Gesuchte und bogen Strafversetzungen an die Front ab. Nach der Befreiung kaufte der Konsul des Landes der Freien wieder einen Laden, in bester Lage, stattete ihn mit Empiremöbeln aus — Reverenz an Geburtstagsvetter Napoleon — und verkaufte die erlesensten, teuersten Stoffe, die der Weltmarkt anbot.
    Privat sorgte der Konsul in aufopfernder Weise für die mittlerweile betagte Baronin. Er liebte ältere Frauen, weil sie mehr zu sagen haben, erfahrener, witziger und überlegener sind. Aber auch manchem jungen Mann stand er, nun selber gute Fee, hilfreich zur Seite. Ja sogar die Öffentlichkeit, das Münchner Kulturleben sollte von seiner sprichwörtlichen Großzügigkeit profitieren.
    Da setzte 1949 an den Münchner Kammerspielen der Direktor Harry Buckwitz ein Stück der amerikanischen Botschafterin Claire Booth-Luce in Szene: Frauen in New York, eine extravagante Schlangengrube, ein parfümierter Großstadtprospekt, gut-böse und mit über vierzig weiblichen Rollen. Da es im Sehr-reiche-Leute-Milieu spielte, bereitete die Ausstattung Kopfzerbrechen. Für jede der Schauspielerinnen mußten zwei bis drei ausgefallene Kleider entworfen und gefertigt werden. Der Regisseur mobilisierte die Münchner Haute couture. Mit Erfolg. Heinz Schulze-Varell und andere erklärten sich zu schöpferischer Mitwirkung bereit — gegen Nennung ihrer Namen im Programmheft.
    Auch Styler fehlte nicht. Zum Einkaufspreis lieferte er die Stoffe und übernahm aus freien Stücken das Amt des Arbiter elegantiarum. Seine Stoffe durfte man nicht einfach für Schauspielerinnen zurechtschneiden, sie sollten zu ihren Trägerinnen passen, die Zusammensetzung der Farben in den verschiedenen Szenen mußte komponiert werden — von ihm.
    Der Regisseur gab dem Kompositeur recht und versprach, an einem Abend nach Ladenschluß alle Damen

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