Fröhliche Zeiten
zur Stoffauswahl mitzubringen.
»Mais non, eher ami!« Abwehrend hob Styler beide Hände, der kleine Brillant funkelte wie ein Rebellenauge, »vierzig Frauen auf einmal — oh mon Dieu! Das gibt unerträgliche Rivalitäten. Bringen Sie sie einzeln .«
Damit war für Harry Buckwitz die Hundert-Stunden-Woche gesichert. Jeden Abend geleitete er eine seiner Damen, Maria Wimmer, Susanne von Almassy, Maria Nicklisch, Liesl Karlstadt und wie sie alle hießen, in den Luxustempel aus Farbe und Feingewebe. Dort schwelgten sie bei spendiertem Schaumwein in der Pracht. Schon das hält auf, und da Compositeur Styler als Ästhet nur schwer zu ermüden war, fiel die Entscheidung selten vor Mitternacht.
Immerhin, die Zusammenarbeit von Compositeur und Couturier wurde belohnt. Schickeria aufwärts sprach man von Münchens elegantestem Theaterereignis. Bald nach der Premiere landete die Verursacherin Claire Booth-Luce in Riem. Harry Buckwitz, der sie abholte, glaubte nicht recht zu sehen. In Begleitung von zwei hollywoodreif aussehenden Jesuitenpatres in weißen Soutanen entstieg sie dem Flugzeug.
Abends saß das Trio in der Vorstellung, erste Reihe Mitte. Ohne es zu wollen, sorgten die Patres für zusätzliche Stimmung. Ungeniert amüsierten sie sich über jede der zahlreichen Frivolitäten. Und das Publikum lachte doppelt. Einmal über den Text und noch einmal über die Reaktionen der Patres.
Trotz bester Lage ließ sich das Geschäft mit den teuren Stoffen nicht halten, oh mon Dieu! Die Zeiten wurden immer konfektioneller; der noble Kaufmann ohne fortune — auch Geburtstagsvetter Ludwigs des Heiligen von Frankreich — nahm’s leicht. Der überzeugte Monarchist schloß die Tür, vergaß die Verluste und widmete sich dem Angenehmen. Dazu gehörten für ihn auch die Repräsentationspflichten als Honorarkonsul der Märchenmonarchie Thailand. Überall sah man Hercules I., seinen gelb-schwarzen Rolls Royce, Baujahr 1928 mit CC-Schild.
Um die Mitte der Fünfzigerjahre zeigte sich der Generalkonsul öfter allein. Die Baronin kränkelte. Doch gelegentlich sah man das Paar in Begleitung einer älteren Dame von wahrhaft internationalem Zuschnitt. Im Hotel Vier Jahreszeiten vor allem, wo die Fremde ein Jahresappartement bezogen hatte. Ihr Auftreten war beherrschend wie ihre großrandigen Hüte. Ihr Schmuck aber übertraf alles, was an Münchner Hälsen, Handgelenken, an Händen und Ohren glitzerte.
Sie sei die Witwe oder Tochter eines südafrikanischen Diamantenhändlers oder Minenbesitzers und millionenschwer — munkelte man in der Schickeria und in anderen Kreisen.
Wieso kam diese Grande Dame, die aus einer anderen Epoche herüberragte, ausgerechnet nach München zu den Stylers? fragte man sich. Und schließlich den Portier.
Sie kam aus den USA, hieß Ysabel Tass, aus Holland gebürtig, Jüdin, beherrschte sechs Sprachen und war — was der Portier nicht wußte — eigens an die Isar gereist, um den Generalkonsul kennenzulernen. Nach drei Ehen auf der Suche, ihr Leben neu zu zentrieren, hatte sie von einer Freundin aus der Berliner Haute Couture folgenden Rat bekommen:
»Fahr nach München, geh zu den Stylers. Lerne ihn kennen und du hast etwas zum Freuen .«
Es wurde in der Tat viel gelacht am Tisch im Restaurant Walterspiel. Mitunter sah man die beiden Damen auch allein, doch immer häufiger den Generalkonsul mit Madame Tass. Die Baronin kränkelte.
Klatschmäuler und Klatschspalten nahmen das Paar als willkommenes Wiederkäufutter, stets mit mokantem Unterton und damit ganz im Sinne von Stylers profiliertem Unernst. Ihr nimmermüder Eifer machte das distinguierte Gespann zu einer Münchner Institution.
Nun konnte auch der Chronist seine journalistische Sorgfaltspflicht erfüllen. Blasius der Spaziergänger gab Madame Tass einen stark volkstümlichen Namen, der ihr bleiben sollte: Diamanten-Wally.
Den Sonnenkönig ließ der Rummel ungerührt. Er gab sich weder getroffen, noch mißverstanden. Sprach ihn jemand darauf an, lächelte er in seiner liebenswürdigen Art und gab die entwaffnende Antwort: »Mon Dieu! Damit kann ich mich nicht aufhalten .«
Zwei Jahre residierte die fröhliche Witwe im Hotel Vier Jahreszeiten. Dann ging es mit der Baronin zu Ende. Aufopfernd umsorgt von ihrem Weggefährten, schied die gute Fee beruhigt wie im Roman. Ihr Gatte — religieu-sement — würde versorgt sein. Noch im selben Jahr wurde das Appartement im Hotel aufgegeben.
»Wenn man etwas haben will, muß man dafür bezahlen .«
Mit
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