Fröhliche Zeiten
hoch oben auf der Erfolgsleiter, ich hatte noch festen, das heißt unsicheren Boden unter den Füßen. Gleichwohl gab es Gemeinsamkeiten. Uns verband eine im besten Sinne starke Schwäche für das Leichte, den kabarettistischen Jux bis zur Klamotte. Nur einmal hatten wir zusammen auf der Bühne gestanden: in Max Frischs Requiem Nun singen sie wieder an den Kammerspielen. Zur Freundschaft kam es erst Jahre nach dem Freundschaftsdienst, den Axel mir erwies. »Da soll ein neues Kabarett aufgemacht werden«, sagte mir jemand, den Namen habe ich schändlicherweise vergessen, »mit Erich Kästner und einer Engländerin, die früher in Berlin gelebt hat, Trude Kolman heißt sie und wohnt im Hotel Bayerischer Hof; sie stellt das Ensemble zusammen. Geh mal hin! Axel hat dich schon empfohlen .«
Gerade zufallsfrei, fuhr ich vor, lehnte mein Fahrrad neben die Drehtür und ging dem Fingerzeig des Portiers nach auf eine Dame in der Halle zu. Der Empfang war von mantelpflichtiger Kühle. Sie rauchte, sah sich mit ihren dunklen Mandelaugen ständig nach anderen Menschen um und ließ mich meine Referenzen aufzählen wie eine Hausangestellte, die sich bewirbt.
Ihr Desinteresse bewies Format. Diese Frau mit dem dunkelroten Haar und den schlecht durchbluteten Händen hatte internationales Flair — eine gewisse Garantie gegen Provinzialität. Zumal mit Erich Kästner. Kabarett ist seiner Natur nach Großstadtpflanze.
Ein zuckriges Lächeln brachte Glanz in die dunklen Augen. »Es hat mich gefreut. Sie hören von mir .« Dessen gar nicht sicher gab ich ihr meine Adresse.
Wir waren zu dritt gewesen. Ihr Mann, als Doktor Egon Goliat vorgestellt, ein hamsterbackiger, vergnügter Posaunenengel, hatte überhaupt nichts gesagt, nur mit faunischem Blick zugehört. Seine Stimme vernahm ich erst Tage später am Telefon. Er bat mich, zu einer Probe in die Elisabethstraße nach Schwabing zu kommen, zu Herbert Weicker, einem Schauspieler von indisch-edlem Gesichtsschnitt, der in einer Wohnung unterm Dach eines herrschaftlichen Hauses das sogenannte Ateliertheater mit betrieb: ein Zimmer zu ungefähr sechzig Sitzplätzen, die Bühne niveaugleich mit der ersten Reihe. Anspruchsvolles wurde hier gespielt, John Steinbeck, Jean-Paul Sartre und meist von Beate von Molo, einer weiteren Ex-Berlinerin, inszeniert. Es handelte sich wohl um ein Vorsprechen. Mit verkleinerter Ausstrahlung trat ich ein. Der erste Blick entspannte mich.
Familientag! Die alte Schaubude schien auferstanden. Erich Kästner, Ursula Herking, Hellmuth und Bum Krüger, Karl Schönböck, der Komponist Edmund Nick. Ich konnte sagen: »Wißt ihr noch... ?«
Mit der Selbstsicherheit des Sohnes im Hause begrüßte ich die andern: Frau Kolman, Doktor Goliat, zwei junge Schauspielerinnen, Christiane Maybach, ein blondes Monroechen, und Hannelore Schützler, die kesse Dunkle, Jochen Breuer, den Pianisten, Herbert Weicker und einen drahtigen, älteren Herrn, den Texter Per Schwenzen. Ein zweiter älterer Herr zeigte sich so herzlich, daß er von vornherein zur Familie gehörte, Robert Gilber, Ex-Berliner, Ex-Emigrant, aus den USA zurückgekehrt, Komponist und genialer Reimer. Er sollte später die deutsche Fassung von My fair Lady und andern amerikanischen Musicals schreiben.
Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh’n...
Frau Kolman verteilte Textblätter, den Eröffnungssong von Erich Kästner mit der Musik Robert Gilberts. Ums Klavier versammelt sangen wir uns ein.
Das Haus ist klein und heißt die Kleine Freiheit
Und unsre Stühle sind ein bißchen hart
Das Haus ist klein und klein ist unsre Freiheit
So ist nun mal die deutsche Gegenwart...
Mit diesem Song gab Kästner dem Kabarett den Namen
Die Kleine Freiheit.
Wir sangen uns zusammen. Es wurde viel gealbert und gelacht. Als Ursula Herking — längst ohne Jeep und häkelnden Captain — ein Kästner-Chanson probierte, dabei auf Anhieb den richtigen Ausdruck fand, nahm mich Doktor Goliat beiseite.
»Wir müssen noch Vertrag machen .«
Es war der beste Augenblick. Bei meiner Hochstimmung hätte ich glatt etwas dazugezahlt, um dabei zu sein. Axel von Ambessers Empfehlung befriedigte meinen Drang nach Spielraum über alle Maßen. Ich durfte parodieren, singen, tanzen, Saxophon spielen und eigene Texte beisteuern, sogar ein Chanson für Ursula Herking.
Am 25. Januar 1951 war Premiere.
Der Ex-Berliner Hellmuth Krüger konferierte das von Trude Kolman straff inszenierte Programm. Unsere Spiellaune und die frechen
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