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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Texte spannten einen atmosphärischen Bogen von der alten Reichshauptstadt zur neuen, heimlichen Hauptstadt, sie erweckten das ironische Kurfürstendamm-Klima, den provokanten Leichtsinn aus dem Berlin der späten Zwanzigerjahre im Föhngebiet an der Isar zu neuem Leben.
    Deswegen von Preußenimport zu sprechen, wäre verfehlt. Das internationale Flair der Remigranten, die Gelassenheit der nach Berufsverbot Rehabilitierten wurden als Laune machende Mischung geschmeckt, spritzig-behaglich, wie Bier mit Champagner.
    Übrigens Kästners Lieblingsgetränk.
    Von der Kritik sanft gestreichelt, sprach sich das Gebilde aus Pointen, Melodien und nicht vorhandenen Rücklagen beim Publikum herum. Gespielt wurde im Kollektiv. Ursula Herking, Trude Kolman, Karl Schönböck und Bum Krüger zeichneten als Luftschloßbesitzer verantwortlich für die Gagen der Engagierten. Aber leider — trotz ausverkaufter Vorstellungen wurde die Kleine Freiheit immer kleiner. Sie fristete im Ateliertheater ein Untermieterdasein. Beate von Molo hatte uns freundlicherweise Unterschlupf gewährt. Nun inszenierte sie selbst wieder. Die Verträge waren längst geschlossen, der Premierentermin stand bereits fest.
    Von Herzen gern hätten wir gesungen: Das Haus ist mein und heißt die Kleine Freiheit...

    Da gab es nahe beim Lenbachbrunnen ein Café, wo sich allabendlich mietbare Damen aufwärmten. Eine Treppe führte nach oben. Nicht zu Zimmern, in denen sie Freiern zu Gleichmut hätten verhelfen können, vielmehr zu einer Bar mit Trio, runden Tischen, von unten beleuchteter Tanzfläche und einer Bühne samt Vorhang.
    In diesem Etablissement hatte ich mir das kabarettistische Rüstzeug geholt, das mir jetzt zugute kam. Ein Anruf genügte. Der Pächter, Akademiker unbekannter Fakultät, frohlockte. Die Bühne war gerade zufallsfrei. Schon träumte ich von längerem Engagement, doch das Kollektiv zog bei meinem Bericht lange Gesichter. Vor Publikum aufzutreten, das konsumierend an Tischen sitzt, passe nicht zum Stil. Gesteigerte Tätigkeit des Verdauungstrakts mindere zudem die Aufmerksamkeit und damit den Erfolg. Man müsse die Tische entfernen, Stuhlreihen bilden, ansteigend, wegen der Sicht, oder verzichten.
    An Verzicht dachte man auch in der Küche. Denn sie war warm, bis Mitternacht. Neue Bedenken kamen hinzu. Der Umbau würde nach Auskunft des technischen Direktors der Kammerspiele 2000,-DM kosten. Die wollte niemand riskieren.
    Schließlich fanden die beiden Akademiker eine Lösung. Der Pächter machte seinem Koch das abendlich ausverkaufte Haus mit bis dahin unerreichbar gutem Publikum schmackhaft und versprach, die Tanzfläche mit gedeckten Tischen einladend zu umstellen. Doktor Goliat empfahl dem Kollektiv, das benötigte Geld gegen Wechsel zu leihen und die Rückzahlung aus den Abendeinnahmen zu bestreiten — eine reine Rechenaufgabe, wie er sagte. Das leuchtete ein. Wo aber das Geld hernehmen? Im eigenen Bekanntenkreis zu suchen, lehnten die Mitglieder des Kollektivs ab.
    Mir ging ob solcher Verzagtheit der Pegasus durch. Wenn ich zum Haus auch das Geld brachte, würde meine Existenz auf lange Zeit gesichert sein. Ich fand einen gutmütigen Schulfreund und schleppte ihn in den Bayerischen Hof. Frau Kolman lächelte, bis die beiden Scheinebündel in ihrer Handtasche verschwunden waren. Dann sah sie sich wieder nach anderen Leuten um. Ihr Mann übergab den Wechsel dezent im Kuvert. Auch mein Name stand drauf. Als Zeichen der Dankbarkeit hatte man mich ins Kollektiv aufgenommen.
    Ich schwebte im Kabaretthimmel. Bis ich meinen Schulfreund wiedertraf, um ihm zu danken. Düster sah er mich an. Unser Dialog war sketchreif.
    »Du Vollidiot!«
    »Direktor! Wenn ich bitten darf...«
    »Du bist dran, falls der Wechsel platzt .«
    »Wieso ich? Wir haben alle unterschrieben. Das ganze Kollektiv.«
    »Ja. Aber du hast ihn quergeschrieben .«
    »Ob längs oder quer... Sei nicht kleinlich !«
    »Sag mal, bist du so dumm ?«
    »Reg’ dich nicht auf. Doktor Goliat kennt sich da besser aus. Er hat gesagt, wenn vorne schon zu viele Namen stehen, darf man auch hinten unterschreiben .«
    »Aber doch nicht quer !«
    »Fängst du wieder an? Er hat ihn mir so hingelegt .«
    »Reingelegt hat er dich. Menschenskind, begreif endlich! Wer querschreibt, haftet. Mit allem, was er besitzt.«
    »Ach — das wird schon klappen .«
    »Wollen wir’s hoffen. Aber sag dem Kerl: Herr Doktor Goliat, sie haben mich da...«
    »Du meinst Egon. Wir duzen uns jetzt .«
    Als ich Egon

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