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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nicht: Walter Giller. Mit seiner flapsigen Herzlichkeit bedachte er alle, quer durch die Hierarchie.
    Anzahl der Drehtage, Höhe der Gage, Reihenfolge der Namen auf dem Plakat, Talentunterschiede und vieles andere trennten in diesem Labyrinth aus unsichtbaren Mauern. Wer nur einen Nachmittag vor der Kamera stand, blieb fremd. Es sei denn, er hatte Freunde beim Stab, die ihn einbezogen, oder er konnte sagen:
    »Um sechs Uhr müßte ich abgedreht sein. Ich hab’ heut abend Vorstellung .«
    Theater wertete ungemein auf. Bühnenschauspieler, vorzugsweise in Chargen und mittelgroßen Rollen besetzt, verbreiteten Respekt. Ihrer Wirkungen durch direkten Kontakt mit dem Publikum sicher, den kurzen Einstellungen mit lächerlich wenig Text handwerklich ohne viele Erklärungen und Proben gewachsen, verhielten sie sich unauffällig. Und das fiel auf im allgemeinen Bedeutungsgerangel. Sofort zur Stelle, wenn man sie rief, sprangen sie in die Verwandlung, daß Komparsen und Mitglieder des Stabes einander zunickten: »Da sieht man’s halt .«
    Oft mußte der Regisseur die Ausstrahlungskraft dämpfen. Wie bei Hans Albers. Der war ein Star. Sogar beim Stab. Ich sehe ihn noch ins Atelier kommen und mit seinem Strahleblick zu den Beleuchtern zwischen den heißen Scheinwerfern auf der Brücke hinauf grüßen. »Verdammt trockene Luft hier. Holt euch mal schleunigst ein paar Kasten Bier !«
    Auf seine Rechnung, verstand sich. Bei einem anderen Star, einem seines Geizes wegen unbeliebten Liebhaber, krachte einmal von der Brücke ein leerer Bierkasten unmittelbar neben ihm zu Boden. Er tobte theatralisch, die Männer entschuldigten sich. Hier oben werde man schwindelig bei der trockenen Hitze. Sie blieben trocken. Die Regel war das nicht. Im gereizten Klima nervlicher Belastung, wie sie Dreharbeiten mit sich bringen, sind gewisse Feuchtigkeiten zur Lockerung und Stimulierung unerläßlich. Mit ihrer Hilfe und in erprobter Dosierung als Ersatz für fehlende Publikumsreaktionen spielten sich viele über kniffliche Stellen hinweg.
    Vor allem die Garderobieren gewisser Vedetten vollbrachten hier wahre therapeutische Wunder. Während der Maskenbildner letzte Glanzstellen abpuderte, standen sie mit vollen Händen und aufmunterndem Zuspruch bereit. Nichts entging ihrem mütterlichen Instinkt. Das Starthema über den Kauf einer Villa im Tessin verebbte, unaufgefordert reichten sie die Zigarette zu einem letzten Zug gegen die Aufregung, die Kaffeetasse zum letzten Schluck für die Konzentration, das Sektglas für die Stimmung. Ein letztes geflüstertes Toi toi toi — und dann alles nochmal.
    Geduldig wartete der übrige Stab. Er kannte das Ritual. Insbesondere bei Großaufnahmen. Endlich erhob sich die Geschönte aus ihrem Stuhl, stellte sich in Positur, feuchtete die Lippen an, damit sie glänzten; da unterbrach der Kameramann. Das Kleid warf eine ungünstige Falte, eine Locke Schatten. Eine Männerhand nestelte am Busen, die Garderobiere reichte das Sektglas.
    »Ruhe bleibt !« störte der Aufnahmeleiter die Stille.
    Auf der Stirn zeigten sich am Haaransatz kleine Perlen. Wie eine Löschwiege betätigte der Maskenbilder das Leder.
    »Lippen !« flüsterte die Garderobiere nach dem Zug an der Zigarette.
    »Klappe«, sagte der Regisseur behutsam.
    Es klappte dann. Endlich und mehrfach zur Auswahl. Mit allen Ritualen dazwischen. Bis der Star nach Küßchen und dickem Lob mit Gefolge abrauschte. Was aus der Villa im Tessin werden würde, blieb ungewiß.
    Bei Margot Hielscher gab’s Schnaps und Sekt für alle. Für ihren Musikfilm Hallo Fräulein wurden in einer neuen Halle auf dem Bavaria-Filmgelände Nachtaufnahmen gedreht. Es war eine sternklare Frostnacht. Große Drahtkörbe, in denen Koksfeuer glühten, und Alkohol ersetzten die noch nicht installierte Heizung. Wir halfen mit heißer Musik nach. Wir — das war die im Film mitwirkende Bigband, zusammengesetzt aus musizierenden Darstellern und allen greifbaren Spitzenjazzlern wie Freddie Brocksieper am Schlagzeug, Klarinetten-Hugo Strasser, Tenorsaxophonist Max Greger, der Trompeter Charlie Tabor und Werner Scharfenberger am Flügel. Helmut Zacharias schnulzte nicht — was ihm später viel Geld brachte — er geigte Hot à la Stéphane Grapelly.
    Technische Schwierigkeiten erzwangen immer wieder große Pausen. Uns kamen sie gelegen. Wir verdanken ihnen eine unvergeßliche Jamsession. Selbst Regisseur Rudolf Jugert unterbrach nur ungern, wenn gerade alles klappte und er uns zu einem

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