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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Selbstmordquote unter Stars vermutlich anheben würden. Grundehrliche Töne, die dem Herzen Luft machen im allgemeinen Beschönigungsgepäppel um die Darstellungsmimosen, blieben nicht auf die Schneideräume beschränkt. Im Atelier brachen sie explosionsartig auf, wenn wieder einmal nichts klappen wollte. Ansonsten herrschte hier eine gedämpfte Kommunikationsweise und vor allem tropisch wucherndes Geratsche.
    Nichts konnte geschehen, ohne daß nicht irgend jemand vom Stab davon wußte. Beruflich gewissermaßen. Sei es nun, wer mit wem und wer ohne, die mögliche Umbesetzung einer mißglückten Rolle oder die Schreckensnachricht, der Finanzhahn habe aufgehört zu fließen — man wußte Bescheid.
    Das machte die weitere Entwicklung zur Sondervorstellung. Betrat ein wichtiger Mann das Atelier, um seinesgleichen eine Neuigkeit zuzuflüstern, versuchten ein Dutzend Augenpaare an ihren Mienen den Text abzulesen. Im Austausch der Beobachtungen ergab sich anschließend ein ziemlich genaues Bild. An Stoffen herrschte nie Mangel, ein Gerücht genügte für Tage.
    Man könnte sagen, der Film, der da ablief, während ein Film gedreht wurde, versorgte den Stab mit Spannung. Genauer: er versorgte sich selbst damit. Nach den gleichen dramaturgischen Gesetzen wie im andern: Man erfährt etwas und hat einen Wunsch, wie es weitergehen möge. Gespannt verfolgt man, ob es klappen wird.
    Gab es gerade nichts Neues, füllte Altes die Lücke. Vor allem die Maskenbildner, gewohnt, die Kunden während ihrer Arbeit zu unterhalten, konnten abenteuerliche Geschichten aus Berlin erzählen. Die besten aus dem Ganovenmilieu. Woher ihre genaue Kenntnis stammte, blieb unklar. Vielleicht hatten sie die aufgeputzten Bräute der zwielichtigen Kavaliere mit dem Brillanten am kleinen Finger für deren Feste geschminkt. Da wurde an nichts gespart; auch der Polizeipräsident war stets eingeladen. Nebst Gattin. Man gab sich ja betont als ordentlicher Bürger.
    Das bewiesen die sogenannten Sparvereine, ein Ganovenmodell, das den Sozialstaat vorweggenommen hat. Die Risiken des Lebens jenseits der Legalität bewirkten ein gesteigertes Bedürfnis nach Sicherheit. Für die Angehörigen vor allem. So war man draufgekommen: Wer ein krummes Ding drehte, entrichtete einen gewissen Prozentsatz von der Beute an den Sparverein. Freiwillig. Die gemeinnützige Einrichtung verwaltete die Gelder wie eine Privatbank. Ging bei einem Coup etwas schief, wurde einer erwischt und eingesperrt, versorgte der Sparverein in der Zwischenzeit das Fräulein Braut, bezahlte die Miete und den Anwalt, der den Pechvogel vertrat.
    Außenstehende konnten mit dem Sparverein Geschäfte machen. Nicht unbedingt dunkle, doch unfeine. Die Kundschaft reichte bis in feinste Kreise. Da wollte ein betuchter Liebhaber seinem erfolgreicheren Nebenbuhler einen Denkzettel verpassen. Verpassen lassen. Auf einem Beratungstermin erfuhr er Möglichkeiten in allen Preislagen und wählte die spektakulärste.
    Bei der kirchlichen Trauung mit dem andern wunderten sich Gäste über eine größere Anzahl auffallend muskulöser Männer im Frack, die sich nach Habitus und Physiognomie keiner der beiden Familien zuordnen ließen. Bevor sie sich weitere Gedanken machen konnten, wurde es ernst. Am Arm des Vaters zog die Braut in die Kirche ein. Plötzlich sprangen die befrackten Muskelpakete in den Mittelgang.
    »Momang, der Herr«, sagte einer zum Vater.
    Andere packten die Braut, schulterten sie samt Schleier und trugen sie zum Portal zurück, während weitere Kollegen mit wohlgesetzten Sprüchen in Berliner Dialekt die Hochzeitsgäste ablenkten beziehungsweise an der Verfolgung hinderten.
    »Herrschaften, bewahren sie Ruhe !«
    »Vielleicht is die Dame unpäßlich, wa ?«
    Draußen brauste ein Wagen vor, Braut und Häscher verschwanden in einer Staubwolke.
    »Das war der Onkel Doktor! Den kenn’ ick.«
    »Da isse in besten Händen. Der krümmt ihr keinen Zahn...«
    Einer rief zur Empore hinauf. »Musik, Herr Kapellmeister! Die Leute kommen ja aus die Stimmung .«
    Mit begütigendem Geplauder dieser Art zog sich die Nachhut zum Portal zurück, klemmte von außen eine Latte unter die Klinke und ward nicht mehr gesehen. Ein solcher Auftrag kam teuer. Nicht nur der Fahrzeuge und Leihfräcke wegen. Es bedurfte generalstabsmäßiger Vorbereitung wie ein anderes Ganovenstück, In feine Kreise, das man erzählte: Provozierter Durchfall einer Welturaufführung im Theater. Auch hier wunderten sich Gäste, altgediente

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