Fröhliche Zeiten
Als-ob-Spiel nach Playback für die Kamera benötigte.
Bald nach den Dreharbeiten gründete Margot Hielscher zusammen mit Kurt Meisel ihre eigene Filmproduktion, die HMK. Auch Heinz Rühmann machte sich selbständig in diesen zweiten Gründerjahren und drehte mit seiner Comedia auf eigenes Risiko. Lang hielten beide nicht durch. Ihre Spielfreude scheiterte an kaufmännischem Kalkül.
Ein Comedia -Film sei hier erwähnt: Der Herr vom andern Stern. Nicht weil mir Heinz Rühmann darin eine Rolle gab, sondern wegen des ironischen Blickwinkels. Der war ungewohnt. Eine Chance zeichnete sich ab, eine neue, kabarettistische Betrachtungsweise, unsentimental, mit gescheitem Text, ohne Selbstmitleid und tiefgründige Grübelei. Dabei keineswegs oberflächlich, nur erfrischend kritisch im restaurativen Aspik, der sich zu festigen begann.
Helmut Käutners Der Apfel ist ab und Rudolf Jugerts Film ohne Titel zielten in dieselbe Richtung. Vergeblich. Sie reichten nicht aus, dem Zuschauer die Optik einzustellen. Der hockte verständnislos vor den Pointen und wartete auf Kitsch. Das Humorig-Doppelbödige, nur scheinbar Leichte tat sich immer schwer in unserem Land.
In den Filmateliers hielt sich der sträfliche Humor erstaunlich lang. Vor allem beim Stab. Die Atmosphäre hier erinnerte an das Artistenmilieu. Umgangston und Zusammenhalt schienen dieser hermetischen Zunft entliehen, die zu gefährlich lebt, um sich imponieren zu lassen. Weit in der Welt herumgekommen und wahrhaft international, bewahrt sie sich ihre Kleinbürgerlichkeit, hält Ordnung, spart, sorgt vor und bleibt im abgesteckten Rahmen, im Kleingärtchen wie ehedem die Berliner Laubenkolonisten. Der Dialekt bewirkte diesen Vergleich. Hier war’s gemütlich. Wie bei Muttern!
Hier wurde in Bildern gesprochen, in Bildern von drastischer Ausdruckskraft und Komik, hier blühten Geschichten von Streichen, die man einander gespielt hatte, von Pannen in allerfeinsten Kreisen, von Stars, die mit ihrem Lorbeer nicht zurechtkamen. Bei allen kessen Tönen blieb der Tenor stets versöhnlich.
Wer täglich miterlebt, wie in höheren Einkommensklassen auch nur mit Wasser gekocht wird, lernt sich zu bescheiden. Das schafft eine gute Ausstrahlung. Sie beruhigt, toleriert, reguliert. In solcher Atmosphäre kann schöpferische Arbeit gedeihen. Nicht umsonst sind Künstlerviertel Kleinbürgerviertel. Das hängt nicht nur mit den erschwerten Startbedingungen zusammen, die dem künstlerischen Beruf anhaften. Auch in ihm lernt man sich zu bescheiden, ohne aufzugeben.
Der Stab produzierte das, was man heute Betriebsklima nennt. Bemutternd nach Sekundantenart dämpfte er Konkurrenzkämpfe zwischen Schauspielern, versöhnte den einen mit dem Regisseur, die andere mit dem Kameramann, der sie angeblich lieblos und unvorteilhaft fotografierte.
Ein Geflüster unter Stabsmitgliedern genügte und manches psychologische Problem war gelöst. Ob der Betreuer den Betreuten mochte oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Es ging um den Film. Schlechte Stimmung im Atelier überträgt sich auf die Kinoleinwand. Der Zuschauer wird weniger beeindruckt, ohne sagen zu können, was ihn stört. Er weiß auch nicht, was der Stab an therapeutischer Arbeit geleistet hat, wenn im Rolltitel all die Namen, die ihm nichts sagen, über die Leinwand ziehen.
Sie sind zu Recht aufgeführt. Schönheit ist auch Maske und Beleuchtung, die einschmeichelnde Stimme auch Werk des Tonmeisters. Der Kameramann kann zu kurze Beine völlig ausklammern, die Cutterin den Film so schneiden, daß ein nachweisliches Untalent begabt erscheint.
Bei meinem ersten Besuch im Schneideraum, vom Regisseur mitgenommen, glaubte ich nicht recht zu hören. Es ging um eine beliebte Schauspielerin. Sie mußte in einer Szene an einen Tisch treten und mit dem Mann reden, der dort saß. Statt dieser Einstellung hatte die Cutterin einen Gegenschnitt eingesetzt. Er zeigte den Mann am Tisch wie er aufschaut, als sie kommt. Der Regisseur wollte die Schauspielerin kommen sehen; die Cutterin widersprach und führte zum Beweis die gewünschte Einstellung vor.
»Sehen Sie sich das an! Wie die watschelt. Die kann ja nicht einmal gehen. Von Spielen gar nicht zu reden. Aber ich krieg’ sie hin .«
Es war kein Einzelfall. Am Schneidetisch sieht man alles, jede zu frühe Reaktion ebenso wie Präzision der Gestaltung. Schwächen werden oft heftig kritisiert, da sie die Arbeit erschweren. So liegt der Gedanke nahe, daß Abhörmikrophone in Schneideräumen die
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