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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Kabarett schreibt, entwickelt zwangsläufig einen anderen Blickwinkel: Für doppelte Böden, Wollen und Können, Scheinen und Sein, die Komik des Ernstes.
    Die Atmosphäre auf dem Bavaria-Filmgelände unterschied sich angenehm von der in anderen Großbetrieben. Hier ging’s entschieden vergnüglicher zu. Obwohl aus Berufen gemischt, die für gewöhnlich überhaupt nicht miteinander in Berührung kommen, kannte offenbar jeder jeden. Entsprechend war der Umgangston. Schnoddrig-familiär, auf bayerisch-solidem Grund, von fixem Berliner Dialekt überlagert. Die alten UfA, Tobis, Terra und wie die Traumfabriken aus der ehemaligen Reichshauptstadt hießen, hatten hier in der Diaspora überlebt.
    Bei aller Vertrautheit blieb jeder auf seinem Platz innerhalb der Hierarchie, beschränkten sich Konkurrenzkämpfe auf die Berufsgruppen. Die Hauptmasse der Tätigkeiten spielte sich, dem Eisberg vergleichbar, unter der Wasseroberfläche ab, über die nur das Endprodukt, der fertige Film mit seinen Stars, herausragte.
    Drei Gruppen konnte ich unterscheiden: Die festen Einrichtungen, technische Werkstätten, Studios, Fuhrpark, Vorführungen, Kantine, Kopierwerk, Beleuchtung, Feuerwerker, Gewandmeister, Lagerverwalter, die Trick-, Geräusche- und Effektemacher, die kaufmännische Verwaltung.
    Der jeweilige Stab, aus Produktions- und Aufnahmeleitung, Tontechnik, Kamerateam, Maske, Garderobiers, Requisite, Cutter, Script, Regisseur und ihre Assistenten. Schließlich die Truppe. Schauspieler, Tänzer, Musiker, Komparsen.
    Der Architekt und vor allem der Drehbuchautor sollten fertig sein, bevor es losging. Sonst gab’s schlaflose Nächte. Die gab es sowieso. Meist wegen Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten.
    »Der Stab — das ist der Film. Die Stars kannste vergessen .« So hatte mich eine altgediente Regieassistentin eingeweiht.
    Mit Film meinte sie den Alltag im Beruf, nicht den Streifen, der im Kino läuft. Der hieß Film ohne Titel. Vergessen konnte ich nach ihrer Meinung Hans Söhnker und Hildegard Knef. Es ist mir nicht gelungen. Ihn kannte ich schon, und sie war noch nicht die Knef, sondern ein Mädchen, bäuerisch-blank wie mit der Wurzelbürste geschrubbt, außen und innen, ein Mädchen ohne Allüren. Sie verkraftete ihre junge Prominenz. Das Aufheben um ihre Person irritierte sie nicht. Unbeeindruckt kam und ging sie mit Gefolge, setzte sich auf den Stuhl, der ihr überall im Atelier hinterhergetragen wurde, trank die gereichte Tasse Kaffee, ließ sich fotografieren, selbstverständlich, ohne in Posen zu verfallen wie: der Star bei der Arbeit.
    Bei der Arbeit, vor allem in den Pausen zwischen zwei Einstellungen, sah man, wer dieses nachgerade absolutistische Theater um seine Person bewältigte und wer nicht. Besonders wenn sich Komparserie im Atelier befand, jene Bildfüller aller Altersklassen ohne Text. Wurde einer von ihnen für ein Sätzchen ausgewählt, durfte er sagen gnädige Frau, da drüben steht Ihr Gatte! fiel es ihm mitunter schwer, danach gegenüber seinen Kollegen natürlich zu bleiben. Er befand sich jetzt auf einer anderen Stufe. Und hatte Vorbilder.

    Die Stars, die Nur-Stars ohne Theaterpraxis, redeten viel und betont launig. Untereinander mit Regisseur und anderen Spitzenleuten, in der Lautstärke aber für alle. Als suchten sie, was sie vor der Kamera nicht hatten — Reaktionen vom Publikum. Scherze gelangen oft peinlich. Sie wurden übertrieben belacht wie bei strengen Vorgesetzten. Einige boten mit politischen und philosophischen Betrachtungen gar Kabarettreifes . Nie mehr habe ich sogenannte Prominente unausgegorenes Zeug in solchen Mengen unwidersprochen verzapfen gehört. Beim Stab wechselte man Blicke wie unter Psychiatern, wenn die Symptome eindeutig sind. Man wußte, was es heißt, mit zu wenig zu viel Erfolg zu haben.
    Jungstars fielen mir auf, Burschen, schon mittelpunktsbewußt, weil ihr erster Film Kasse gemacht hatte. Wie rührend parodiereif rangen sie um private Natürlichkeit! Man konnte sehen, wie das Bemühen, nicht arrogant zu wirken, ihr Lächeln bremste beziehungsweise ihren Ernst entspannte. Schaute ein Komparse etwa gleichen Alters einen solchen Erfolgsnovizen eindringlich an, zuckte der zuerst zurück, sagte dann aber ein paar verbindliche Worte. Etwa »Mein Kostüm ist die reinste Sauna«.
    Ohne es zu merken, sprach er natürlich von sich, und Sauna kam gerade in Mode. Wurde ihm der Ton des andern zu kameradschaftlich, zog er sich eilig zurück. Einer hatte solche Schwierigkeiten

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