Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
die dicke, saure Spreewaldgurke biss, kam sie noch einmal auf Frank
zu sprechen.
»Die Trennung
damals war richtig.« Sie schaute Dag an, die aber nur mit aufgerissenen Augen, nickend
und schulterzuckend zugleich, stumm blieb.
»Mir ging
es nur kurze Zeit schlecht, das werte ich aber eher als Entzugserscheinungen, weil
der Mensch ein Gewohnheitstier ist.« Auch hier verkniff sich Dag einen Kommentar.
»Mir geht
es besser ohne ihn. Wir waren zu verschieden. Oder waren wir zu gleich?«
Hier musste
Dag einhaken: »Was auch immer es war, ihr seid es heute noch.«
»Ja, klar,
ich weiß.« Liv pausierte. »Aber es hatte schon etwas, es war sehr unterhaltsam mit
Frank – und sehr prickelnd.« Liv biss ein letztes Mal gedankenverloren in die dicke
Gurke, tupfte sich mit der Serviette die Lippen – und wies mit vollem Mund nur
per Handzeichen den Köbes ab, der ihr noch ein halbes Mettbrötchen von seinem großen
Tablett anbot. Auch Dag verneinte, obwohl beide wussten, wie schmackhaft sie waren,
die Mettbrötchen.
»Liv, lass
es mich der Aktualität und der Zeitnot halber auf den Punkt bringen: Du und Frank,
ihr seid nicht mehr zusammen, weil ihr beide erstens zu verschieden wart und noch
seid, zweitens den jeweils anderen ändern wolltet und es heute noch wollt und drittens,
weil ihr eure Berufe mehr liebt als eure Partner. Ich hoffe, dass du das nie vergessen
wirst, denn das andere, was da so prickelt, das vergeht. Glaube es mir«, fasste
Dag die Sachlage wohl wissend und grinsend zusammen.
Liv glaubte
ihr – fast.
Nach drei
Alt, einer Gurke und zwei Zigaretten wurde es Zeit zu gehen. Die letzten Worte,
die Dag Liv mit auf den Weg gab, als sie wieder zu Hause abgesetzt wurde, waren:
»Gib bitte acht auf dich! Bei Frank und überhaupt. Du bist in diesem Hotel umzingelt
von Menschen, die dir nicht unbedingt gut wollen.«
Mit der
Zusage, aufmerksam zu sein, fuhr Liv zurück ins Hotel. Es tat gut, mit Dag gesprochen
zu haben. Irgendwie waren alle Bedenken und Probleme wie weggeblasen. Zudem war
das Eis längst verdaut, die Gurke und die Altbiere sah Liv als Appetizer. Es war
Zeit, eine Kleinigkeit zu essen, Spesen zu machen, sozusagen. Denn nun ging es weiter
an ihre Lieblingsarbeit: beobachten. Sie betrat das Restaurant.
Die Einrichtung des Restaurants
hatte eine auffallend uneinheitliche Handschrift. So harmonierten die modernen Holzstühle
mit ihren sehr lang gezogenen Rückenlehnen zwar mit den massiven Holztischen, aber
nicht unbedingt mit den Mustern der Bezüge und Kissen. Diese nämlich erinnerten
Liv eher an die Einrichtung ihrer Großmutter aus dem Bergischen Land. An den Wänden
hingen kubistische Farbkompositionen, die sie mal in einer Ausstellung in der Düsseldorfer
Kunsthalle bewundert hatte, in respektvollem Abstand zu den alten ›barocken‹ Ölgemälden.
Hier jagte ein Kompromiss den anderen, ob Teppich, Vorhänge, Lampen oder Dekoration.
Positiv gesehen, fand sich hier für jeden Geschmack etwas. Einem Ästheten hingegen
musste es körperliche Schmerzen bereiten, hier täglich durchzugehen. Liv spürte
die starke Disharmonie in der Atmosphäre.
Ansonsten
schien dieser außergewöhnliche Tag normal zu Ende zu gehen, keiner der Gäste würde
noch merken, dass der Seniorchef heute an diesem Ort verstorben war. Lediglich auf
einem Tisch – wohl dort, wo der Senior seinen Stammplatz gehabt hatte – war ein
großer Blumenstrauß mit weißen Lilien um das Schild ›reserviert‹ drapiert. In Sichtweite
dieses interessanten Ortes ließ Liv sich nieder.
Sie wollte
es nach den Bierchen von vorhin nun leicht und gesund angehen. Sie hatte Appetit
auf eine Rheinische Muschelsuppe und überprüfte, ob ein R im Monatsnamen versteckt
war – negativ, beschied sie, es war Juni. Also gut, dann bestellte sie aus der Karte
speziell für Wellness-Gäste einen bunten Salat mit gebratenem Fischfilet. Sie war
froh, dass nicht dabeistand, dass es aus dem Rhein war. Dazu einen halben Liter
Wasser und als Ausgleich zu so viel gesunder Flüssigkeit einen Viertel Liter Barolo.
Gewärmtes Baguette kam prompt auf ihren Wunsch hinzu.
Eine junge
Frau trat aus der Schwingtür, auf der ›privat‹ stand. Es war Maria Overbeck, die
Juniorchefin. Mit dem köstlichen Barolo in der Hand, nahm Liv sich ausreichend Zeit,
sie zu beobachten. Ihr geschulter Blick fiel auf die Tische ohne Gäste, bei denen
sie einige Bestecke und Gläser zurechtrückte, die Stühle in eine Linie brachte und
die frischen Blumensträuße ordnete.
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