Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
dabei aus wie ein Junge, der nicht richtig auf seinen
kleinen Bruder aufgepasst hatte und nun Bestrafung befürchtete.
Der Arzt
räumte seine Instrumente wieder ein und schloss die Tasche: »Sie sollten nichts
anrühren, bis die Polizei kommt.«
Liv nickte
wohl wissend. Auf ihre Frage, woran er denn gestorben sei, antwortete der Arzt mit
Achselzucken und einem lapidaren: »Ein Herzinfarkt? Ein Schlaganfall? Das ist jetzt
Sache der Gerichtsmediziner.«
Er verließ
den Raum. Der Kellner schlurfte wie in Trance hinter ihm her und schloss die Tür
zum Foyer. Liv blieb.
3
Die Schilder mit den kleinen rot
durchkreuzten Handys ignorierte Liv, als sie das Kribbeln an ihrer Hüfte spürte.
Ohne die angezeigte Nummer zu erkennen, fragte sie: »Wer da?«
»Andreas
Barg hier«, sagte die tiefe Stimme am anderen Ende.
»Herr Barg,
ich grüße Sie. Mit Ihnen hätte ich jetzt nun gar nicht gerechnet.«
»Das freut
mich, Frau Oliver. Mir ist just zu Ohren gekommen, dass in dem Hotel, in dem Sie
Urlaub machen, ein Toter aufgefunden wurde. Da ich davon ausgehe, dass Sie Interesse
an dem Fall haben, möchte ich Sie bitten, Ihren Urlaub inoffiziell abzubrechen und
uns brandheiß vom Tatort zu berichten.«
»Heißer
geht es nicht mehr, Herr Barg. Der Tote und ich sind hier allein im Raum. Er ist
quasi noch warm.«
»Das klingt
vielversprechend«, versuchte der Anrufer, seine Aufregung über den richtigen Riecher
zu verstecken.
»Aber woher
wussten Sie? Und so schnell? Es ist erst Minuten her, dass …« Liv drehte sich instinktiv
um, die Ecken in diesem Raum nach Kameras absuchend.
»Eine Frau,
die anonym bleiben wollte, informierte unsere Zeitung vor wenigen Minuten über einen
Mord im Hotel. Zufällig hörte Kollege Hoffmeister zu, als ich den Namen des Hotels
wiederholte. Er erinnerte sich sofort, dass Sie dort sind. Und Ihre Handynummer
haben wir alle hier parat. Das wissen Sie ja.«
»Ein Mord?«,
betonte Liv fragend. »Aha. Meine Hochachtung, da haben Sie aber äußerst schnell
geschaltet.«
»Lassen
Sie uns auch jetzt keine Zeit verlieren. Wir zahlen Ihre Hotelrechnung und ein anständiges
Honorar, wenn Sie für uns – und nur für uns – dranbleiben. ›Mord im Düsseldorfer
Wellnesshotel‹ macht sich als Schlagzeile sehr gut.«
»Mein Urlaub
war zwar längst überfällig, auf der anderen Seite ist er jetzt eh irgendwie hin.
Sie haben recht, diesen Fall lasse ich mir garantiert nicht entgehen, aber Exklusivität
für Ihr Blatt muss sich für mich rechnen.«
Andreas
Barg legte noch einen drauf: »Ich weiß, was wir an Ihnen gerade in diesem Fall haben,
Frau Oliver, Sie können neben der sehr gut bezahlten Arbeit auch noch Ihre Wellness-Anwendungen
nehmen und auf Spesenrechnung chic essen gehen. Wir wissen, dass Sie dieses Angebot
nicht überstrapazieren.« Er pausierte nur kurz, während Liv überlegte. »Also los,
halten Sie die Leiche warm, machen Sie Fotos und fragen Sie sich durch. Berichten
Sie uns täglich. Machen Sie eine große Story daraus, es ist ein renommiertes Hotel.
Das passt gut in unser Konzept. Es wird unser Aufmacher für die Wochenendausgabe.
Legen Sie los. Sie werden es nicht bereuen.«
»Heute ist
Montag, das sind noch knapp fünf Tage. Klingt gut. Ich bin dabei. Aber eins noch,
Herr Barg: Was hat die Informantin gesagt? Ihren Namen nicht, aber wie hörte sie
sich an? Wie waren die Geräusche im Hintergrund? Wo soll ich ansetzen? Sie muss
hier im Hotel sein und von einem Mord gewusst haben, noch bevor der Arzt dies festgestellt
hatte.«
»Tut mir
leid, Frau Oliver, die Nummer war unterdrückt und es war sehr still um sie herum,
es war ein ganz kurzer Anruf von einem Handy. Die Stimme hatte sie merklich verstellt.
Das hätte jede Frau sein können, jede Mitarbeiterin oder jeder Gast.«
»Na toll.
Haben Sie sich wenigstens die Exklusivrechte auch bei ihr gesichert? Sonst ruft
sie alle an und ich habe in zehn Minuten eine ganze Horde Kollegen hier.«
»Aber sicher«,
betonte Barg. »Die Anruferin versicherte uns glaubhaft, dass Sie nur uns Bescheid
gegeben hat, sonst auch nicht mehr Fakten weiß beziehungsweise nicht mehr sagen
wird, weil es ihr nur um die Gerechtigkeit ginge. Sie selbst möchte keinen Vorteil
aus der Sache ziehen und keinen Skandal heraufbeschwören, nur bei der Wahrheitsfindung
etwas nachhelfen.«
»Na fein.
Okay, alles klar so weit, Herr Barg, Sie werden schon wissen, was Sie tun. Der Fall
scheint Ihnen ja einiges wert zu sein. Okay, ich melde mich später – die
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