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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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waren, grüßte er uns und winkte uns zu sich heran.
    Er hatte uns vermutlich längst erkannt. Wenn nicht mich, so zumindest Shizi, in die er doch fast fünfzehn Jahre lang hoffnungslos verliebt gewesen war. Aber er tat, als hätte er uns gerade eben erst entdeckt und rief uns wie elektrisiert entgegen: »Ach ihr! Ach, ihr beide seid es!«
    »Sei gegrüßt, alter Freund! Haben wir uns lange nicht gesehen!«, sagte ich.
    Kleiner Löwe lächelte ihn an und murmelte irgendetwas, das ich nicht deutlich verstand.
    Leber und ich schüttelten uns mit aller Kraft die Hände. Dann ließen wir los und zündeten uns sofort Zigaretten an, ich mir eine von seinen, Marke Eight Happiness, er sich eine von meinen »General-Zigaretten«.
    Kleiner Löwe schaute sich in Ruhe die Niwawa-Tonkinder an.
    »Ich hatte es schon läuten hören, dass ihr beide wieder nach Hause gezogen seid. In der Fremde erfährt man, was die Heimat wert ist, denn jede Stadt hat ihre besondere Art, Hühner aufzuschneiden, nicht wahr?«
    »Richtig, der Fuchs steckt den Kopf in den Bau, wenn ihn der Tod ereilt , denn ohne Heimat sein heißt leiden . Und der Apfel fällt nicht weit vom Baum . Da, wo ich geboren bin, will ich auch begraben werden«, antwortete ich ihm. »Aber wir haben Glück, dass wir in dieser Epoche leben. Überleg mal, wenn wir die Zeit jetzt fünfundvierzig Jahre zurückdrehen müssten. Ich wage nicht, darüber nachzudenken.«
    »In der Vergangenheit wurde der Mensch im Käfig gehalten. Und wenn er raus sollte, dann nur an der Leine, jetzt sind wir doch freier. Hast du Geld, kannst du dir eigentlich alles erlauben, solang du dich an die Gesetze hältst.«
    »Was du da gerade zum Besten gegeben hast! Alle Achtung! Dass du den Leuten so einen blauen Dunst vormachst!« Und während ich mit dem Finger auf die Tonkinder zeigte: »Haben die wirklich solche Zauberkraft?«
    »Du meinst, ich scher mich nicht drum und lüge, dass sich die Balken biegen?« Mit ernster Miene fuhr er fort: »Ich sage nur die Wahrheit. Das bisschen, das ich da hinzugedichtet habe, sollte ja wohl erlaubt sein. Selbst Staatsmedien gestatten Übertreibungen, solange sich das in einem vernünftigen Rahmen bewegt.«
    »Ich kann rhetorisch nicht mit dir mithalten«, entgegnete ich nur. »Sag mal, sind die Tonpuppen wirklich von Qin Strom?«
    »Wie kommst du darauf, dass das nicht stimmen könnte?«, fragte Leber verwundert. »Also, dass die Kinder bei Vollmond und Flötenspiel tanzen, das war übertrieben. Aber dass Qin Strom sie mit geschlossenen Augen modelliert, das ist hundertprozentig wahr. Wenn du da Zweifel hegst, dann komm mit und schau es dir an, sobald du mal ein bisschen Zeit hast.«
    »Ist Qin Strom jetzt bei uns im Dorf gemeldet?«
    »Heutzutage? Was heißt es da noch, eine Meldebescheinigung zu beantragen und sich da niederzulassen, wo der Wohnsitz registriert wurde? Das ist Firlefanz von gestern! Heute bleibst du da, wo es dir passt.«
    Wang Leber fuhr fort: »Wo deine Tante wohnt, da wohnt auch Qin Strom. Seine hartnäckige Liebesverblendung bezüglich Gugu ist einmalig auf der Welt. Und in der Unterwelt!«
    Kleiner Löwe hielt ein hübsches Tonkind in den Armen, eines ohne Schlitzaugen mit hohem Nasenrücken, es ähnelte einem europäisch-chinesischen Mischlingsbaby:
    »Dieses Kind möchte ich.«
    Ich musterte es. Ich hatte ein vages Gefühl, genauer gesagt ein Déjà-vu! Ich kannte es. Woher kannte ich das Mädchen? Wer war es? Himmel! Es war Galles Tochter Chen Augenbraue! Gugu und Kleiner Löwe hatten die Kleine ein halbes Jahr bei sich gehabt, dann hatten sie die kleine Augenbraue ihrem Vater Nase zurückgeben müssen.
    Ich erinnerte mich deutlich an den Abend, an dem Chen Nase zu uns kam und seine Tochter zurückverlangte. Es ging auf das Chinesische Neujahr zu, wir feierten gerade das Herdgottfest. Überall waren Böller gezündet worden und die Luft hing voller Rauchschwaden und Salpetergeruch.
    Kleiner Löwes Antrag auf Familiennachzug war vom Militär bereits bewilligt worden, so dass sie die Kommunekrankenstation verlassen durfte. Nach dem Neujahrsfest wollte ich zusammen mit ihr und Yanyan im Zug nach Peking reisen. In einer großen Wohneinheit der Armee war ein Appartement mit zwei Zimmern frei geworden, das unser neues Heim werden sollte. Mein Vater hatte es abgelehnt mitzukommen. Er hatte seinerzeit auch nicht meinem großen Bruder in die Kreisstadt folgen, sondern auf seinem Grund und Boden bleiben wollen. Nur gut, dass mein Bruder auf Kreis- und

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