Frösche: Roman (German Edition)
sich fürchtet. Dennoch haben ich und Kleiner Löwe mit eigenen Augen beobachtet, wie sie beim Anblick eines Frosches so in Panik geriet, dass sie krampfte, ihr der weiße Schaum vor dem Mund stand und sie bewusstlos zu Boden sank.
Es geschah an einem Vormittag im April, ich war mit meiner Frau einer Einladung Chen Backes und meines Cousins Jin Xiu in die Froschzuchtstation gefolgt, die die beiden gemeinschaftlich eröffnet hatten.
Es hat kaum ein paar Jahre gedauert, da hatte sich unser rückständiges, abgelegenes Nordost-Gaomiland völlig verändert. Beide Ufer unseres großen Flusses hatte man mit weißen, soliden Mauern befestigt. Auf die Grünstreifen an den Ufern hatte man alle möglichen seltenen Blumen und Büsche gepflanzt. Außerdem waren zu beiden Seiten des Flusses an die fünfzehn neue Viertel entstanden. Vielstöckige Plattenbauten wechselten sich ab mit Einzelhäusern im europäischen Stil. Diese Viertel am Flussufer waren inzwischen bis an die Kreisstadt herangewachsen.
Bis zum Flugplatz von Tsingtao waren es nur vierzig Autominuten. Koreanische und japanische Handelsreisende kamen in Scharen, um bei uns in den Bau von Fabriken zu investieren. Der Großteil des Ackerlandes war inzwischen zu Rasen geworden, der zum Golfplatz der Metropolregion Weifang Kiautschou gehörte.
Obwohl man unser Nordost-Gaomi inzwischen in Bezirk Chaoyang umbenannt hat, habe ich die alte Gewohnheit, meine Heimat Nordost-Gaomi zu nennen, nicht abgelegt.
Von dem Viertel, in dem wir nun wohnen, bis zur Froschzuchtfarm sind es zweieinhalb Kilometer. Mein Cousin wollte uns mit dem Auto abholen, aber das schlugen wir aus. Wir nahmen den Fußweg am Flussufer. Als wir dort entlanggingen, begegneten uns ab und an junge Frauen, die ihren Säugling im Kinderwagen spazieren fuhren. Wir gingen unmittelbar aneinander vorüber, denn der Fußweg war schmal. Diese jungen Frauen hatten, eine wie die andere, mit Feuchtigkeitscreme gepflegte Gesichter, einen reservierten Blick, und ihnen entströmte der edle Duft teurer Parfums. Die Babys in den Kinderwagen saugten brav am Schnuller, manche schliefen fest, andere schauten mit ihren schwarzen Knopfäuglein aus dem Wagen. Alle Babys hatten diesen feinen, süßen Babygeruch.
Immer, wenn ein Kinderwagen auf uns zukam, hielt Kleiner Löwe die Leute an, beugte sich mit ihrem üppigen Körper in den Wagen hinunter, streckte ihre Hand nach dem Säugling aus und streichelte die kleinen Patschhändchen und die weichen Gesichtchen. Ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie sich mit jeder Faser ihres Herzens an den Babys erfreute.
Eine blonde, blauäugige Ausländerin schob einen Zwillingskinderwagen mit zwei kleinen eurasischen Babys auf uns zu. Die entzückenden Kleinen trugen Seersuckersonnenhütchen und waren niedlich wie zwei Barbiepüppchen. Kleiner Löwe streichelte beide abwechselnd, murmelte leise Worte, ihre Augen wurden feucht.
Ich sah das höflich lächelnde Gesicht der jungen Ausländerin und wie sie dann den Arm ausstreckte und Shizi an der Bluse zupfte: »Passen Sie auf, dass meine Kinder nicht Ihre Spucke aufs Gesicht bekommen!«
Shizi seufzte: »Wie kommt es wohl, dass wir uns früher gar nicht für die Kleinen interessiert haben und sie nun plötzlich so niedlich finden? Das zeigt wohl, dass wir alt geworden sind!«
»Nicht unbedingt!«, meinte die Ausländerin. »Die Kinder sind im Zuge unseres steigenden Lebensstandards auch viel hübscher als früher geworden, ihre Qualität ist sozusagen gestiegen.«
Auf dem Weg trafen wir auch ein paar alte Bekannte von früher. Man schüttelte sich die Hände, redete ein paar Brocken miteinander, pure Höflichkeitsfloskeln, sonst nichts, und beendete diese Kurzgespräche immer mit einem gemeinsamen Seufzer und zwei Sätzen wie: »Alt sind wir geworden!« – »Richtig, die Zeit vergeht wie im Fluge, kaum versieht man sich’s, und es sind wieder zehn Jahre vergangen!«
Auf dem Fluss sahen wir ein buntes Kreuzfahrtschiff gemächlich vorbeiziehen, wie ein sich vorbeischiebendes Ehrentor 15 . Der Wind trug besinnliche Musik an unser Ohr, im Inneren des Schiffes konnten wir Musikerinnen in historischen Kostümen chinesische Zither und Hsiao-Flöte spielen sehen, ein Bild wie von einer altchinesischen Seidenmalerei. Ab und an sauste ein Motorboot vorbei, der Bug bäumte sich über dem Wasser auf, so dass die weißen Möwen sich vor den hochspritzenden Wellen erschreckten.
Wir hielten uns an den Händen. Von außen betrachtet,
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