Frösche: Roman (German Edition)
Reisen und Kultur: Stets verbreiten sie Enthusiasmus, auch für die westlichen Naturwissenschaften, eine fröhliche Stimmung und Geschäftstüchtigkeit.
Das ist genau das, was Sie immer bekümmert: Mancherorts herrscht Krieg, da sind die Menschen Kanonenfutter und sterben wie die Fliegen. Und mancherorts herrscht eitel Fröhlichkeit bei Wein, Weib und Gesang. Das ist unsere Welt. Wäre da ein Titan, der im Vergleich zu unserem Erdball groß wäre wie wir im Vergleich zu einem Fußball, und er säße da und sähe zu, wie die Erde ihn umkreist und mal Frieden, mal Kriege, mal rauschende Feste, mal Hungersnöte, mal Dürren, mal Flutkatastrophen vorbeiziehen, wüsste ich gern, was er dabei dächte.
Verzeihen Sie teurer Freund, ich schweife ab.
Der falsche Sancho Panza brachte mir ein Glas Eiswasser und einige Scheiben Brot, dazu ein Stück Butter und ein Tellerchen mit Olivenöl und Knoblauch als Dip für das Brot. Hier wird hervorragendes Brot gebacken. Jeder, der schon mal westliches Brot gegessen hat, wird mir zustimmen. Wenn man das Brot in den Dip oder die Butter stippt, ist es Genuss pur. Und dann erst die Gerichte, die anschließend serviert werden!
Sugitani san, Sie müssen hier einmal essen gehen! Ich garantiere Ihnen, dass Sie es genießen werden.
Außerdem gibt es in diesem Restaurant noch einen »Brauch«. Vielleicht ist »Regel« sogar das bessere Wort: Wenn der Wirt abends sein Lokal schließt, stellt er das Brot vom selben Tag – Baguettes, Brötchen, Roggenbrote, grobkörnige und Feinbrote – in einen großen Weidenkorb auf den Tisch an der Tür, damit die Gäste es nach Hause mitnehmen. Es gibt kein Hinweisschild, das dazu ermahnt, nur eins mitzunehmen, aber jeder Gast hält sich unwillkürlich daran. Da geht man dann: ein Baguette unter den Arm geklemmt oder vor der Brust, ein Kastenbrot, ein weiches Weißbrot oder ein knuspriges, man atmet den Duft ein, den Duft des Roggenkorns, des Weizens, der Sesamsaat, der Aprikosenkerne, den Hefeduft. Auch ich mache mich meist mit einem frischen Brot auf den Heimweg und bummele noch über den Vorplatz des Niangniang-Tempels.
Ich bin jedes Mal beschämt, denn ich weiß natürlich, dass ich den Luxus liebe. Ich bin mir bewusst, dass auf unserem Erdball ungezählte Menschen nicht einmal ein Hemd auf dem Leib besitzen, sich nicht sattessen können, dass es viele gibt, die vom Hungertod bedroht sind und gerade jetzt in dieser Minute um ihr Leben ringen.
Fräulein Margaritas gemischter Salat besteht aus grünem Salat, Tomaten und jungen Blättchen der Ackergänsedistel. Er schmeckt köstlich. Wer hat sich diesen westeuropäischen Namen, bei dem man unwillkürlich ins Träumen von Europa gerät, für den Salat ausgedacht? Natürlich mein Schulkamerad aus der Grundschule, der Sohn meiner Grundschullehrerin, Li Hand.
Wie ich Ihnen schon in meinen früheren Briefen erzählte, war Hand der Begabteste von uns. Eigentlich wäre er für die Schriftstellerei prädestiniert gewesen, doch schließlich bin ich dazu gekommen. Er hingegen wurde Arzt, ein sehr guter Arzt. Er hatte glänzende Zukunftsaussichten, kündigte aber, kehrte aufs Land zurück und machte dieses nicht westliche und nicht östliche, sagen wir, eurasische Restaurant auf. Schon dessen Name und auch die angebotenen Gerichte verraten, dass die Literatur einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf meinen Mitschüler hat. An so einem Ort wie unserem Dorf, wo Einheimisches bis zur Unkenntlichkeit mit Ausländischem vermengt wird, ist ein Restaurant »Don Quijote de la Mancha« an sich schon eine Tat, die dem Namensgeber alle Ehre macht.
Li Hand hatte bereits einen Wohlstandsbauch angesetzt. Er, der immer schon untersetzt gewesen war, sah mit dem Bauch noch kleiner aus. Für gewöhnlich saß er in seinem Lokal abgeschieden in einer Ecke, in einiger Entfernung, aber mir gegenüber, so dass er mich sehen konnte.
Wir begrüßten uns gegenseitig nicht. Manchmal schrieb ich tief über den Tisch gebeugt irgendwelche unzusammenhängenden Impressionen, und er stand dabei, hinter dem Stuhl, den rechten Ellbogen auf die Lehne gestützt und die Wange in die Hand geschmiegt. In dieser Pose eines Müßiggängers verharrte er stets eine ganze Weile.
Der falsche Sancho Panza servierte mir meine Portion Rinderschmorfleisch im Tontopf à la Antonios junge Witwe und mein gezapftes Onkel-Marek-Starkbier. Ich hatte alles, was ich bestellt hatte, nahm einen Schluck Bier und aß einen Bissen von dem Rinderschmorfleisch. Ich
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