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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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kaute langsam und ließ es mir auf der Zunge zergehen.
    Mein Blick fiel durch das Fenster. Ich sah, dass dort im helllichten Sonnenschein feierlich eine Göttergeschichte aufgeführt wurde. Die Musiker und Opernsänger spielten und sangen, dass die Erde bebte, und bahnten sich einen Weg durch das Menschengewühl. Dem Orchester folgte der Zug mit den Bannern, den Becken, den Baldachinschirmen, den Fächern, den Halbgöttern in fünffarbiger Kleidung. Die Schöne, die auf dem Fabelwesen Qilin ritt, hatte ein Gesicht, makellos wie ein Silberteller, und Augen wie zwei Sterne, in den Armen hielt sie einen molligen, rosig samtigen Säugling.
    Jedes Mal, wenn ich die Babys bringende Niangniang sehe, möchte ich ihr Bild so gern mit dem von Gugu verknüpfen. Aber meine Tante kommt mir jetzt nur noch mit großem schwarzen Poncho in den Sinn, mit wirrem Haar, einem Lachen wie das Kreischen einer Eule, einem verschwommenen Blick und Worten, die alles ins Gegenteil verkehren. Dies zerstört meinen schönen Traum.
    Nachdem die Ehrengarde der Kinder schenkenden Niangniang die Göttin im federnden Laufschritt eine Runde um den Tempelvorplatz begleitet hatte, stellten sich alle in der Mitte zu einer Formation auf. Die Musik und die Trommeln verstummten. Ein Würdenträger mit hoch aufragender Beamtenkappe, in einer zinnoberroten Amtsrobe, das Hu-Zepter der Beamten vor der Brust, ein Amtsschreiben in der Hand – man dachte unwillkürlich an den Eunuchen aus dem Computerspiel »Herrscher« –, verkündete mit lauter Stimme:
    »Himmel und Erde bringen immerfort die fünf Getreidearten hervor. Sonne, Mond und Sterne nähren und mehren das Volk. Auf Geheiß des Jadekaisers bringt die Kinder schenkende Niangniang ein hübsches Kind zu euch auf die Erde nach Nordost-Gaomi herab. Sie hat angeordnet, dass es für Wang Liang, der reichlich gute Werke tut, und seine brave Gattin bestimmt ist, die jetzt vortreten und ihr Kind in Empfang nehmen sollen.«
    Die sehnsüchtig auf ihre Schwangerschaft wartende Ehefrau nahm das hübsche Kind – es war ein Niwawa-Tonkind – entgegen.
    Sugitani san, obwohl ich alle möglichen Mittel und Wege suchte, mich selbst zu beschwichtigen, blieb ich der Angsthase, der sich immerfort Sorgen macht.
    Da ich mir inzwischen sicher war, dass Chen Augenbraue mein Kind austrug, konnte ich mich innerlich nicht beruhigen und fühlte mich in jeder Minute, jeder Sekunde wie ein Schwerverbrecher. Sie war doch Nases Tochter! Gugu und Kleiner Löwe hatten sie aufgezogen! Ich hatte ihr sogar mit meinem kleinen Finger, den ich ihr ins Mündchen schob, Milchpulver gefüttert. Sie war noch winziger gewesen als meine eigene Tochter!
    Wenn Nase, Hand und Leber erführen, was sich nun zugetragen hatte? Ich könnte einpacken! Wir aus Gaomi sagen, ich könnte genauso gut in ein Hundefell kriechen. Denn niemals mehr könnte ich irgendjemandem unter die Augen treten. Ich hätte mein Gesicht für alle Zeit verloren.
    Mir fielen die beiden Male ein, die ich Nase gesehen hatte, seitdem ich wieder nach Hause gezogen war.
    Das erste Mal war im letzten Jahr eines frühen Abends gewesen, als es in dicken Flocken geschneit hatte. Kleiner Löwe hatte noch nicht begonnen, auf der Froschzuchtfarm zu arbeiten. Ich ging draußen mit ihr spazieren, und wir schauten den im hellen Licht tanzenden Schneeflocken am Rande des Tempelvorplatzes zu. Von weitem hörte man immer wieder Böller krachen. Der brenzlige Geruch wurde langsam stärker. Man konnte das neue Jahr schon riechen! Als mich meine Tochter aus Spanien auf dem Handy anrief und erzählte, sie sei mit ihrem Mann in Cervantes’ Geburtsort Alcalá, betrat ich gerade mit Kleiner Löwe an der Hand mein Lieblingsrestaurant »Don Quijote de la Mancha«. Das erzählte ich meiner Tochter, und ich hörte sie durch den Äther fröhlich lachen.
    »Wie ist die Welt doch klein, Papa!«
    Und die Kultur groß, finden Sie nicht auch, Sugitani san?
    Anfangs wusste ich gar nicht, dass es sich bei dem Wirt des Restaurants um meinen alten Schulfreund Li Hand handelte, doch ich ahnte, dass er ein außergewöhnlicher Charakter war. Schon als wir das Lokal zum ersten Mal betraten, gefiel es uns auf Anhieb. Mir hatten es vor allem die massiven Tische und Stühle aus gebürsteter Linde angetan. Wären die Tischplatten mit blendend weiß gewaschenen Tischtüchern bedeckt gewesen, hätte es im Lokal sehr europäisch ausgesehen, aber Li Hand erklärte mir später: »In der Epoche des Don Quijote de la Mancha, das habe

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