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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Streichhölzer entsteht.
    Sugitani san, ich rauchte an jenem Tag Zigaretten Marke Gelbe Kranichpagode 1916, eine der teuersten Marken Chinas, angeblich kostete ein Päckchen sechshundert Yuan, das sind dreißig Yuan pro Zigarette. Weizen kostet bei uns 8 Groschen das Pfund. Also müsste man siebenunddreißigeinhalb Pfund Weizen verkaufen und bekäme dafür nur eine einzige Zigarette der Marke Gelbe Kranichpagode. Von so viel Mehl kann man fünfzehn große Brote backen und sich einen ganzen Monat lang damit ernähren. An einer Zigarette Marke Gelbe Kranichpagode zieht man ein paar Mal, und schon ist sie verglüht. Diese Zigaretten waren prachtvoll und teuer verpackt, jede einzelne am Filter vergoldet, dass ich an Euren Goldenen Pavillon-Tempel, den Kinkaku-ji, denken muss. Ob sich der Zigarettendesigner dort inspirieren ließ?
    Ich bin mir immer bewusst, dass mein Vater es auf den Tod nicht ausstehen kann, wenn ich solche Zigaretten rauche. Er hatte damals, als ich sie ihm gezeigt hatte, kühl gesagt: »Du versündigst dich! Du setzt schlechte Ursachen!« Ich beeilte mich, ihm zu sagen, dass ich sie nicht selbst gekauft hätte, sondern dass Freunde sie mir geschenkt hätten. Vater sagte noch unzugänglicher: »Umso schlimmer! So ziehst du auch noch andere mit hinein.« Ich bereute, dass ich ihm den Preis der Zigaretten genannt hatte. Es beweist, dass ich ein oberflächlicher Gockel bin. Meine wahre Natur unterscheidet sich gar nicht von diesen Neureichen, die immer auf Markenjagd sind und sich alleweil mit ihren neuen Zweit- und Drittfrauen brüsten. Aber diese teuren Zigaretten konnte ich doch nicht wegwerfen, nur weil mein Vater mich kritisiert hatte. Hätte ich sie fortgeworfen, hätte ich mich doch noch mehr versündigt.
    Diesen Zigaretten war ein besonderer Aromastoff zugesetzt, angezündet dufteten sie so intensiv, dass man sich davon wie trunken fühlte. Ich beobachtete, dass Chen Nase nicht mehr still saß und einige Mal hintereinander heftig niesen musste. Sein Blick wandte sich nun von dem ausgestopften Hirsch an der Wand ab und langsam uns zu.
    Ich las in seinen Augen Zweifel, Befangenheit, Wankelmut. Dann sah ich einen Hoffnungsschimmer, Unersättlichkeit, sogar einen Anflug von Kaltblütigkeit. Dieses Gefühlsgemenge warf er mir mit seinem Blick entgegen.
    »Herr!« Endlich stand er auf. Seinen Säbel wie einen Krückstock mit sich führend, kam er zu uns gehumpelt. Es war nur schummrig im Lokal, aber sein angespanntes Gesicht konnte ich trotzdem erkennen. Seine Mimik lässt sich schwer in Worte fassen. Der Blick war auf mein Gesicht gerichtet oder auf den Zigarettenqualm, der aus meinem Mund kam. Das blieb unklar. Ich beeilte mich aufzustehen. Der Stuhl kratzte geräuschvoll über den Boden. Kleiner Löwe erhob sich auch sofort.
    Er stand vor mir, und ich streckte ihm eilig die Hand hin. Ich verstellte mich noch schnell und tat so, als hätte ich ihn zuvor gar nicht bemerkt und wäre jetzt freudig überrascht.
    Nase reagierte nicht, wie ich es erwartet hatte, schon gar nicht schüttelte er mir die Hand. Er blieb in höflicher Entfernung und verbeugte sich tief. Er sprach, die Hand auf dem Knauf seines mit Rostflecken übersäten Degens, mit der Stimme eines Theaterschauspielers:
    »Erlauchte Dame! Gnädiger Herr! Ich, Junker Don Quijote von der Mancha in Spanien, erweise Ihnen meine Ehrerbietung und aufrichtigen Respekt und stehe Ihnen rückhaltlos zu Diensten.«
    »Hör auf, uns auf den Arm zu nehmen«, sagte ich, »und spiel nicht den Ahnungslosen, du Lauch! Ich bin Wan Zu, dein Schulfreund Renner, und sie ist Xiao Shizi ...«
    »Gnädiger Herr! Vornehme Dame! Nichts Ehrenvolleres, Gerechteres und Heiligeres für einen Ritter, wie ich es bin, als kraft des Degens aufrichtig mit Herz und Hand den Frieden zu verteidigen ... «
    »Kumpel, hör auf mit dem Theater!«
    – Ja, ja, die Welt ist eine Bühne, und jeden Tag wird das gleiche Drama gespielt. –
    »Gnädiger Herr! Gnädige Dame! Sollte es Ihnen gerade zu Pass kommen, mir eine von Ihren Zigaretten zu überlassen, möchte ich Euer Gnaden gern eine Kostprobe meiner Degenkunst geben.«
    Ich holte sofort eine Zigarette raus, reichte sie ihm und gab ihm schnell Feuer. Er nahm einen tiefen Lungenzug. Die Glut an der Spitze leuchtete auf, die Zigarette brannte herunter. Er kniff die Augen zusammen, krauste sein Gesicht, nahm einen tiefen Zug, um dann langsam zu entspannen, während er den weißen Qualm in zwei Fahnen durch die Nasenlöcher

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