Frösche: Roman (German Edition)
beiden waren zusammen fortgegangen, Richtung Süden, hatten sich alleine durchgeschlagen. Wahrscheinlich in der Hoffnung, doch noch eine Chance zu bekommen.
Ich hatte gehört, dass sie nach Dongli in der Provinz Kanton gegangen seien und dort in einer Plüschtierfabrik gearbeitet hätten. Dass der Fabrikbesitzer ein Ausländer gewesen sei. Ob ein echter Ausländer, kann man nicht mit Sicherheit sagen.
Was waren die zwei Schwestern hübsch und klug gewesen! In einer Umgebung, in der man dem Geld und dem Luxus frönt, hätte ihnen ihre Unberührtheit nichts bedeuten dürfen, dann wäre für sie alles einfach gewesen. Aber sie hatten ihre Arbeitskraft verkauft und waren in der Fertigung geblieben. Hatten im Schweiße ihres Angesichts brutale Ausbeutung ertragen. Zuletzt war in der Fabrik ein Feuer ausgebrochen, ganz China war über dieses Unglück schockiert. Die Ältere der beiden war verbrannt. Die Jüngere hatte schwere Brandverletzungen erlitten, die sie verunstalteten. Die große Schwester hatte die kleine mit ihrem Körper zu schützen versucht, als beide um ihr Leben gerannt waren. Wie schmerzlich! Wie traurig! Wie mitleiderregend! Es war der Beweis dafür, dass die beiden ihre Tugend nie verloren hatten! Dass sie brave Kinder geblieben waren! Kristallrein, wie geschliffene Jade ...
Verzeihung Sugitani san. Ich bin furchtbar ergriffen.
Nases Leben ist so voller Leid!
Ich finde, wenn er in diesem Lokal namens »Don Quijote de la Mancha« den schon lange verstorbenen Cervantes oder die frei erfundene Figur des Don Quijote spielt, ist er nicht besser als der zwergenwüchsige Türsteher im Pekinger »Paradise Bird Dance Club« oder der riesenwüchsige Türsteher in der »Wasserfallgrotte« Spa von Taizhou in Jiangsu. Da gibt es keinen Unterschied. Jedes Mal wird der eigene Körper vermarktet. Beim Zwerg ist es der Zwergenwuchs, beim Riesen der Riesenwuchs und bei Nase die überdimensionale Nase. Sie befinden sich alle in derselben tragischen Situation.
Sugitani san, ich erkannte Nase an jenem Abend sofort, obwohl ich ihn fast zwanzig Jahre nicht gesehen hatte! Ich gebe zu, ich könnte ihn hundert Jahre nicht gesehen haben, auch im Ausland würde ich ihn erkennen.
Natürlich hatte er uns ebenfalls erkannt, nicht nur wir ihn. Alte Freunde aus Kinderzeiten! Da braucht man nicht einmal Augen, man verlässt sich auf seine Ohren und erkennt sich am Seufzer und am Nieser, alles sichere Erkennungszeichen.
Sollten wir nicht gleich auf ihn zugehen? Ihn ganz unkompliziert zu uns an den Tisch bitten und mit ihm zusammen essen ...
Kleiner Löwe und ich zögerten. Ich schaute absichtlich nicht direkt zu ihm hin. Ich war mir sicher, dass er, wie er jetzt den ausgestopften Hirsch an der Wand betrachtete, darüber nachdachte, nach vorn zu kommen und uns zu begrüßen.
Damals beim Fest des Herdgotts, als er zusammen mit seiner Tochter Ohr zu uns nach Hause gekommen war ... O, wie genau ich mich jetzt wieder daran erinnerte! Er, groß wie ein Baum, mit seiner robusten Schweinslederjacke, den großen Stößel in der erhobenen Hand, den er in unseren Wok mit den Neujahrsmaultaschen werfen wollte. Wüst, aufbrausend, gewalttätig, wie ein in Zorn geratener Bär.
Danach hatte ich ihn nie wieder gesehen. Ich war mir jetzt sicher, dass nicht nur ich mich an das Vorgefallene erinnerte, sondern auch er, und dass nicht nur wir von der überraschenden Begegnung so betroffen waren, sondern auch er. Wir haben ihn niemals gehasst. Wir bemitleideten ihn wegen seines Pechs, der laufenden Heimsuchungen.
Warum wir nicht sofort aufstanden, zu ihm gingen und ihn begrüßten? Nur weil wir nicht wussten, wie wir uns verhalten sollten, denn zweifellos standen wir uns wesentlich besser als er; wir sagen hier in Gaomi: Bei uns flutschte es besser. Wie verhalten sich Leute, denen es gut geht und die Geld haben, gegenüber ihren Freunden, denen es schlecht geht und die in Schwierigkeiten sind? Dafür braucht man Gespür und Takt!
Sugitani san, meiner schlechten Angewohnheit – dem Rauchen – fröne ich unverändert. In Amerika, in Europa und auch in Eurem Japan gibt es für Raucher inzwischen viele Einschränkungen. Man fühlt sich als Raucher ungehobelt, als hätte man schlechte Umgangsformen. Bei uns in Gaomi hat sich in Bezug auf das Rauchen noch nichts geändert.
Ich holte meine Zigaretten raus, nahm eine aus der Packung und zündete sie mir mit einem Streichholz an.
Ich liebe diesen schwachen Schwefelgeruch, der beim Entzünden der
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