Frösche: Roman (German Edition)
früher zuzulassen war unerträglich.
In den vergangenen dreißig Jahren haben sich der Fluss und die Landschaft an seinen Ufern sehr verändert. Es gibt so viel Neues, das man sich nicht einmal hätte träumen lassen. Und vieles, worüber wir uns damals den Kopf zerbrachen, ist heute etwas, worüber man scherzt. Wir haben uns nicht darüber ausgetauscht, aber höchstwahrscheinlich dachten wir beide dasselbe.
Sugitani san, das zweite Mal, dass ich Chen Nase begegnete, war im Krankenhaus in der Wirtschaftssonderzone. Wir waren alle zusammen hingegangen, auch Li Hand und Wang Leber. Er war von einem Polizeiauto angefahren worden und verletzt. Der Fahrer des Polizeiwagens behauptete – und Augenzeugen, die an der Straße standen, bestätigten dies –, er sei vorschriftsmäßig die Straße entlanggefahren und Nase hätte sich vor das Auto auf die Straße gestürzt. Er hatte den Tod gesucht, anders kann man es nicht bezeichnen. Der Hund hatte sich mit ihm zusammen vor das Auto geworfen.
Nase wurde in hohem Bogen ins Gebüsch geschleudert, der Hund wurde unter den Rädern zermalmt. Nase erlitt an beiden Beinen einen Splitterbruch, Arme und Lendenwirbel waren ebenfalls verletzt und in Mitleidenschaft gezogen. Aber er war außer Lebensgefahr. Leber und Hirn des Hundes waren auf die Straße gespritzt, er hatte sich für seinen Herrn geopfert.
Li Hand hatte uns benachrichtigt, dass Nase verletzt worden sei. Er erklärte sofort, die Polizei treffe mit Sicherheit keine Schuld, aber sie habe sich bereit erklärt, für die Wiederherstellung von Nases Gesundheit, weil doch die Gelenke wieder zusammengefügt werden müssten, zehntausend Yuan zu zahlen. Zehntausend Yuan waren natürlich viel zu wenig. Ich verstand nun, dass Hand uns Schulfreunde zusammengetrommelt hatte, weil die OP-Kosten für Nase zusammenkommen mussten. Nase war in einem Krankensaal mit zwölf Betten untergebracht, sein Bett mit der Nummer Neun stand direkt am Fenster.
Wir hatten Mitte Mai, und der Duft des in voller Blüte stehenden, roten Magnolienbaums vor dem Fenster schwängerte die Luft. Obwohl im Krankenzimmer so viele Betten standen, war es sauber, und auch, wenn dieses Krankenhaus sich nicht mit den großen Kliniken in Peking oder Shanghai messen kann, war es, verglichen mit der Krankenstation von vor zwanzig Jahren, ein Riesenfortschritt.
Sugitani san, ich war zusammen mit meiner Mutter früher einmal eine Woche lang auf der Krankenstation der Kommune. Ich schlief vor ihrem Bett und versorgte sie. Die Krankenbetten waren voller Läuse, an den Wänden gab es Blutspuren und im Zimmer ganze Heerscharen von Fliegen. Wenn ich daran denke, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Nase hatte beide Beine und den rechten Arm eingegipst, er lag auf dem Rücken und konnte außer dem linken Arm nichts bewegen.
Als er uns kommen hörte, wandte er uns den Kopf zu.
Wang Leber brach mit seinem Lachen und Schimpfen das peinliche Schweigen: »Na du, Don Quijote, was stellst du für Sachen an? Ein Kampf mit dem bösen Riesengezücht? Hast du Windmühlen im Kopf? Oder musstest du dich mit dem Biskayer duellieren?
Hand sagte: »Bist du lebensmüde, dann lass es mich wissen! Es ist wirklich nicht nötig, im vollsten Galopp in Polizeiautos hineinzusprengen!
»Nase, du hast gar nicht mit uns gesprochen! Du kannst dich ganz schön verstellen«, sagte Kleiner Löwe. »Bedank dich bei Hand dafür, dass er dich verrückt gemacht hat!«
Hand sagte: »Du hältst ihn doch nicht wirklich für wahnsinnig? Er verstellt sich nur. Darin ist er ein unübertroffener Meister!«
Nase weinte plötzlich herzzerreißend. Sein zur Seite gewandtes Gesicht drehte er dabei noch mehr zur Seite. Seine Schultern zuckten und mit der Linken, die als einziges seiner Glieder beweglich geblieben war, kratzte er an der Wand.
Eine hochgewachsene, dünne Krankenschwester kam schnellen Schrittes ins Zimmer, sie musterte uns mit strengem Blick und schlug mit der Hand ein paar Mal kräftig gegen das Kopfende des Eisenbetts: »Nummer Neun, Schluss mit dem Geschrei!«
Er hörte augenblicklich auf zu weinen und drehte auch den Kopf wieder gerade. Aus trüben Augen schaute er uns an.
Die lange, dünne Schwester zeigte mit dem Finger auf die Blumen, die wir Chen Nase auf das Nachtschränkchen gestellt hatten. Angewidert schnaufte sie: »Die Klinik verbietet das Mitbringen von Blumen ins Krankenzimmer.«
Kleiner Löwe war aufgebracht: »Was sind das für Krankenhausregeln? Nicht mal in den großen
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