Frösche: Roman (German Edition)
Kliniken in Peking gibt es solche Vorschriften!«
Die Schwester überging den Einwand meiner Frau und fuhr Nase an: »Deine Familie hier sollte jetzt die Rechnung begleichen. Heute ist der letzte Tag.«
Ich war verärgert: »Was erlauben Sie sich? Was ist das für eine Einstellung?«
Sie verzog abschätzig den Mund: »Arbeitseinstellung.«
»Und wo bleibt Ihre humanitäre Gesinnung?«, meinte Leber.
Die Schwester entgegnete: »Ich gebe nur weiter, was man mir aufträgt. Wenn Ihnen eine humanitäre Gesinnung wichtig ist, dann bezahlen Sie jetzt die Rechnung. Ich kann mir vorstellen, dass unser Klinikdirektor jedem von Ihnen eine Tafel überreichen lässt mit den vier Schriftzeichen:
人道模範
Vorbild der Humanität. «
Leber wollte das Wortgefecht weiterführen, aber Hand hielt ihn davon ab.
Die Schwester zog wutschnaubend von dannen.
Wir schauten uns an und machten uns Gedanken. So schwer, wie Chen Nase verletzt war, würde die Rechnung unsere Erwartungen bestimmt noch übersteigen.
»Warum habt ihr mich hierher gebracht. Lasst mich sterben und mischt euch nicht ein! Hättest ihr mich gelassen, wo ich war, wäre ich doch längst tot. Und müsste hier nicht liegen und diese Erbärmlichkeit ertragen.«
»Wir waren das nicht, die dich gerettet haben«, sagte Leber, »die Polizei hat den Rettungswagen gerufen.«
»Ihr wart es nicht?«, fragte er verächtlich.
»Ja, was habt ihr dann hier zu schaffen? Mich bemitleiden? Mir Zuspruch geben? Da seid ihr an der falschen Stelle. Geht schnell und vergesst eure Blumen mit diesem scharfen Insektizidgeruch nicht – die verursachen mir Kopfschmerzen. Ihr wollt hier meine Rechnung bezahlen? Wozu? Ich bin der Junker Don Quijote. Meine engsten Freunde sind der König und die Königin. Das bisschen Geld wird aus der Staatskasse bezahlt. Ist doch klar. Und wenn König und Königin nicht zahlen, dann doch bestimmt nicht ihr! Meine beiden schönen Töchter, feengleich und immer schon vom Schicksal begünstigt! Sie sind doch längst in hohen Positionen als Landesmutter und Konkubine der Mächtigsten. Dieser Rechnungsbetrag ist so unbedeutend klein, solches Klimpergeld rinnt ihnen doch jederzeit durch die Finger. Da sollten sie diese lächerliche Summe nicht zahlen können?«
Sugitani san, wir begriffen natürlich jedes Wort genau! Er markierte nur den Irren. Sein Gehirn funktionierte kristallklar. Den Irren zu spielen wird mit der Zeit zur Gewohnheit. Man ist dann irgendwann zu dreißig Prozent verrückt. Als wir Li Hand ins Krankenhaus gefolgt waren, um Nase zu besuchen, war uns allen schon mulmig gewesen. Ein paar Blumensträuße, ein paar gute Worte, auch ein paar hundert Yuan, das alles wäre kein Problem gewesen, aber dass wir eine horrende Krankenhausrechnung zahlen sollten, war doch wohl ..., schließlich gehörte Nase nicht zur Familie, es gab keinerlei familiäre Bande. Außerdem waren da diese besonderen Lebensumstände, in denen er sich befand. Wenn er ganz normal gewesen wäre, wie jeder von uns ...
Wie dem auch sei: Es war keineswegs so, dass wir kein Gerechtigkeitsgefühl besessen hätten, dass wir kein Mitleid gehabt hätten. Aber, Sugitani san, wir waren keine Helden, nur Mittelmaß ...
Wir schwebten nicht in solchen luftigen Höhen, dass wir für einen Sonderling, einen schrägen Vogel, bedenkenlos die Brieftasche zücken und uns verausgaben konnten. Deswegen kam uns seine wilde Rede sehr gelegen. Er gab uns damit die Möglichkeit, den Esel vor der Anhöhe zum Halten zu bringen und abzusteigen.
Wir blickten alle zu Li Hand hinüber, der uns mitgenommen hatte.
Der schüttelte den Kopf: »Nase, jetzt lass dich erst einmal gesund pflegen. Wo dich doch die Polizei angefahren hat! Wir werden Verantwortung übernehmen, das ist doch selbstverständlich. Und wenn es Probleme gibt, dann finden wir einen Weg ...« »Jetzt aber raus!«, entgegnete Chen Nase. »Wenn meine Hand die Lanze halten könnte, würde ich euch eure strohdummen Schädel damit abklopfen!«
Ja, was hätten wir denn tun sollen? Wenn wir da nicht gegangen wären, wann dann?
Wir nahmen also unseren pestizidverseuchten, schlecht riechenden Blumenstrauß und wollten gerade zur Tür hinaus, als die dünne Schwester einen Mann im Arztkittel hereinführte. Sie stellte ihn uns als den stellvertretenden Krankenhausdirektor, Leiter der Abteilung Finanzen und Controlling vor. Dann stellte sie uns dem Arzt als Verwandtschaft der Nummer Neun vor. Der Vizeabteilungsleiter kam sofort zur Sache und zeigte
Weitere Kostenlose Bücher