Frösche: Roman (German Edition)
getroffen worden. Das Blut lief in Strömen. Er preschte erneut auf mich zu, startete diese Angriffe wieder und wieder, und ich schrie »Zu Hilfe!« und wich erbärmlich feige zurück. Bis aus dem Markt hinaus. Bis in die Sonne.
Ich warf die Tafel fort und rannte, was ich konnte. Während ich rannte, schrie ich weiter um Hilfe.
Sugitani san, meine Erbärmlichkeit ist mir so peinlich, dass ich sie Ihnen gar nicht schildern mag. Aber ich könnte den Vorfall außer Ihnen keinem sonst erzählen. Ich rannte, ohne auf den Weg zu achten. Hörte von beiden Seiten so lautes Menschengeschrei, dass ich meinte, taub zu werden. Ich rannte in die kleine Straße mit den Garküchen. Auf einer Straßenseite befand sich ein kleines Restaurant. Davor parkte eine silbergraue Limousine. Ich sah ein schwarzes Ladenschild vor dem Restaurant hängen, auf dem zwei seltsame Zeichen in roter Schrift geschrieben waren:
雌雉
»Fasan.«
Vor dem Restaurant saßen zwei Frauen, eine große, korpulente und eine kleine, zierliche, die erschreckt von ihren Stühlen hochfuhren. Sie waren meine letzte Rettung, und ich stürzte auf sie zu, stolperte und schlug vornüber mit dem Gesicht auf die Straße. Meine Lippen platzten auf und zwischen den Schneidezähnen lief das Blut hinunter. Ich war über eine Eisenkette gestolpert, die zwischen zwei Pfosten gespannt war. Einen der Pfosten hatte ich dabei umgestoßen. Die beiden Frauen beugten sich sofort über mich, zogen mich an den Armen hoch und halfen mir aufzustehen. Ich spürte, dass sie mir ungezählte Backpfeifen gaben, dass ich überall von ihrer Spucke getroffen wurde.
Der Junge, der hinter mir her gewesen war, war mir nicht gefolgt. Ich hatte Glück, Sugitani san, aber ich hatte trotzdem Pech. Denn die beiden Frauen vom Restaurant »Fasan« ließen mich jetzt nicht mehr weg. Sie beharrten darauf, dass der Eisenpfosten, den ich umgeworfen hatte, auf ihr Auto gefallen sei und es verbeult habe.
Sugitani san, ich habe gesehen, dass es an dem Auto tatsächlich einen stecknadelkopfgroßen Kratzer gab, besser gesagt einen weißen Punkt, der aber nie und nimmer durch den Kettenpfosten entstanden sein konnte.
Sie ließen mich nicht gehen und beschimpften mich auf schmähliche Art und Weise, so dass sich um uns in kürzester Zeit viele Gaffer versammelt hatten. Besonders die kleinere der beiden war brutal und glich darin dem Jungen, der mich mit dem Spieß attackiert hatte. Sie rammte mir ihren Finger mehrmals so ins Gesicht, als wolle sie mich blenden. Jede meiner Erklärungen ging in einer lautstarken Schmährede von zwanzig Sätzen unter. Teurer Freund, ich kniete mit beiden Händen vor dem Gesicht am Boden und war so verzweifelt wie niemals zuvor.
Der Grund, warum ich und Kleiner Löwe uns entschlossen hatten, Peking zu verlassen und wieder nach Hause zu ziehen, war nämlich, dass uns in Peking auf der Huguo-Tempel-Straße etwas Ähnliches zugestoßen war. Es hatte sich auch vor einem Restaurant ereignet. Es liegt gegenüber dem Pekinger Volkstheater, und sein Name ist ganz ähnlich, nämlich »Wildfasan«.
Als wir uns die Plakate des Theaters angeschaut hatten, waren wir auch über eine Kette gestolpert, die zwischen zwei rotweiß gestrichenen Pfosten aufgehängt gewesen war. Der Pfosten war genauso und ebenfalls deutlich entfernt vom Heck eines weißen Autos umgefallen. Aber eines der beiden vor dem Restaurant »Wildfasan« sitzenden jungen Mädchen mit blond gefärbtem Haar, einem Mäusegesicht und Lippen so schmal wie Messers Schneide war auf uns zugestürzt, weil es an dem Pkw einen stecknadelkopfgroßen weißen Punkt entdeckt hatte, der angeblich durch den umgefallenen Kettenpfosten entstanden war. Es hatte uns mit Händen und Füßen in einer abfälligen Art und Weise beschimpft, die mit widerlichen Kraftausdrücken im Pekinger Dialekt gespickt war. Sie sei schließlich in Peking groß geworden und habe schon alle möglichen Leute erlebt, aber ... »Ihr Bauerntölpel vom Land, ihr Weichschildkröten aus euren dreckigen Tümpeln, ihr steckt doch mit dem Kopf alle Tage im Dreck. Was habt ihr in unserer Hauptstadt zu suchen? Ihr blamiert uns Chinesen hier. Wir schämen uns für euch!« Das zweite, korpulente, streng nach Hämorridensalbe riechende größere der beiden Mädchen war vorgestürzt und hatte mir kurzum einen Faustschlag auf die Nase verpasst. Die im Rund um uns stehenden Gaffer, die Glatzköpfe und die barbäuchigen Alten hatten sofort begonnen, die beiden Frauen anzufeuern, sie
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