Frösche: Roman (German Edition)
diesem Fall nicht die ganze Verantwortung zuschieben darf, übernehme ich meinen Teil. Der Kleine ist dann im Juli 1995 an Ort und Stelle als Fausts Enkel zur Welt gekommen, seine zweite Tochter Zhang Laiti hat ihn geboren. Laiti kam zu mir. Sie hatte schon zwei Mädchen, und ein drittes Kind sieht die Politik der Geburtenplanung nicht vor, es wäre also ein sogenanntes »überzähliges Kind« gewesen. Obwohl ihr Vater mir damals mit dem Knüppel die Kopfverletzung beigebracht hat und ich deswegen einen ziemlichen Hass auf ihn habe, hegen wir trotzdem auch freundschaftliche Gefühle füreinander, und daher habe ich ihm seinen Sohn, den eigentlich seine Frau bekommen sollte, wieder zurückgegeben. Eigentlich wäre er Laitis Bruder gewesen, und jetzt ist er ihr Sohn. Von diesem Geheimnis weiß außer mir niemand etwas. Und jetzt habe ich es euch gesagt, aber ihr verschließt eure Münder bitte so dicht wie der Korken die Flasche. Der Kleine ist ein böses Balg, er kennt meine Angst vor Fröschen. Er hat mich mal mit einem Frosch in einem Paket so heftig erschreckt, dass ich ohnmächtig wurde. Aber ich nehme es ihm nicht übel. Es gibt alles Mögliche auf der Welt, da gibt es natürlich auch Unvollkommenes. Die guten Menschen sind Menschen, die bösen auch.«
Zuletzt zeigte Gugu auf das Baby, das sie gerade in die letzte noch übrige Nische an der Wand gestellt hatte: »Erkennt ihr ihn?«
Ich weinte sofort: »Bitte Gugu, sag nichts, ich erkenne ihn ...«
Kleiner Löwe sagte: »Gugu, der Kleine wird schon bald geboren. Sein Papa ist ein Theaterschriftsteller, die Mutter eine Krankenschwester in Rente. Danke, liebe Gugu! Ich bin schwanger!«
Sugitani san, halten Sie mich für einen Narren, der hier seine irren Wunschgespinste zu Papier bringt? Ich gebe ja zu, dass Gugu einige psychische Probleme hat. Und meine Frau hat sich in ihre freudige Erwartung auf den Kleinen so sehr hineingesteigert, dass bei ihr die Nerven verrücktspielen.
Jemand, der bekennt, ein Verbrechen begangen zu haben, muss aber auch versuchen, mit sich selbst nachsichtig zu sein. Ein Beispiel ist die auch Ihnen, lieber Freund, bekannte Kurzgeschichte »Das Neujahrsopfer« von Lu Xun. Einem wachen Menschen wie Xiang Linsao, die in Lu Xuns Geschichte für den Erdgotttempel eine teure Türschwelle tischlern lässt und ein Türschwellenopfer bringt, sollte man nicht den Glauben nehmen, man sollte ihm auf keinen Fall Aberglauben unterstellen, sondern ihm Hoffnung schenken. Die Hoffnung, dass er sich von seiner Schuld befreien kann, dass er nachts keine Alpträume mehr haben muss, dass er wie ein Mensch ohne Schuld weiterleben kann.
Ich spielte also mit, ich war sogar fleißig bemüht zu glauben, woran Gugu und Kleiner Löwe glaubten.
Das ist doch sicher die richtige Herangehensweise? Obwohl ich natürlich weiß, dass die Leute mit ihren naturwissenschaftlich geschulten Gehirnkästen mich belächeln. Dass die Moralapostel und Tugendverfechter mich kritisieren. Selbst wenn Leute, die ganz andere Erkenntnisse gewonnen haben, sich über mich beschweren, werde ich nichts ändern. Dem Baby zuliebe. Für Gugu und für meinen Kleinen Löwen, die beiden Frauen, die eine befremdliche Arbeit verrichtet haben, für sie werde ich weiterhin wie farbenblind durch die Welt laufen.
Am selben Tag holte Gugu ihr Stethoskop aus dem Arzttornister und erklärte in vollem Ernst, sie müsse jetzt die Herztöne abhören. Kleiner Löwe machte den Bauch frei und legte sich auf den Rücken. Sie war voller Glück. Gugu hörte sie konzentriert und sorgfältig ab. Mit einem sehr ernsthaften Gesichtsausdruck. Als sie damit fertig war, befühlte sie den Bauch meiner Frau mit ihren von meiner Mutter immer so sehr gerühmten Händen. Gugu fragte: »Fünf Monate ist das Kleine wohl? Alles in Ordnung. Der Fötus macht deutliche Geräusche, er sitzt auch an der richtigen Stelle.«
»Schon mehr als sechs Monate«, sagte Kleiner Löwe schüchtern mit rotem Gesichtchen.
»Dann komm mal hoch.« Gugu klopfte zärtlich den Bauch meiner Frau. »Obwohl du ja schon älter bist, empfehle ich dir trotzdem eine natürliche Geburt. Mir widerstreben Kaiserschnitte. Eine Mutter, deren Kind nicht durch den Geburtskanal auf die Welt kommt, verpasst das Gefühl, Mutter zu werden.
»Ich habe Bedenken ...«, wandte Kleiner Löwe ein.
»Was kann dir mit mir an deiner Seite passieren, Kleiner Löwe?« Gugu streckte beide Hände in die Höhe: »Diesen beiden Händen, die zehntausend Babys auf die Welt
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