Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
Auslöschen einer Armee ... Das Fengshui lenkt die großen Zusammenhänge. Mit Härte ist ihm nicht beizukommen. Denn würden wir mit Härte reagieren, wenn wir es mit dem Kaiser zu tun bekämen? Bestimmt nicht! Und nebenbei, auch der Kaiser braucht ein gutes Fengshui.«
    »Zu Tisch«, sagte ich wieder und knuffte Backe in die Seite. »Magister, das Fengshui ist wichtig, aber Essen und Schnaps sind genauso wichtig!«
    Yuan Backe erwiderte nur: »Wenn die Kommuneverwaltung ihr Eingangstor nicht umbaut, wird es weiter zu Geisteskrankheiten kommen, und es wird ein Unglück geben. Wer’s nicht glaubt, kann abwarten und zusehen, was kommt.«

5
    Wang Leber war in unerwiderter Liebe für Shizi entbrannt und stellte die verrücktesten Dinge an, die ihn im ganzen Dorf zum Gespött machten. Er war Thema Nummer Eins unseres Dorftratsches. Ich verspottete ihn nicht, denn ich konnte es ihm nachfühlen. Ich achtete ihn hoch, denn ich fand, dass diesem Genie in Sachen Liebe das gute Schicksal bisher verwehrt geblieben war. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Er war streng monogam, denn er liebte nur die eine, wahre ..., ein gefühlsstarker Romantiker, der, wäre das Glück ihm hold gewesen, ewig gültige Liebeslieder geschrieben und gesungen hätte.
    Als wir noch Kinder waren, noch nichts von der Liebe zwischen Mann und Frau wussten, keimte seine erste Liebe auf. Damals verliebte er sich in Shizi. Ich erinnere mich wie heute an seinen vor vielen Jahren ausgesprochenen Stoßseufzer: »Kleiner Löwe ist aber hübsch!« Objektiv betrachtet ist Kleiner Löwe überhaupt nicht hübsch, man könnte sogar sagen, sie sieht nicht mal annehmbar aus. Meine Tante hat sie mir antragen wollen. Ich habe sie ausgeschlagen, mit der Ausrede, dass sie doch Wang Lebers Traumfrau sei und ich sie deswegen nicht wolle. Um ehrlich zu sein: Ich fand sie nicht hübsch genug. Für Leber jedoch war sie die schönste Frau auf Erden. Es gibt einen Ausdruck, der es genau trifft: Vor Liebe blind.
    Nachdem er den ersten Liebesbrief an sie in den Kasten geworfen hatte, war er so ergriffen, dass er mich zum Flussufer schleifte und mich den ganzen Weg über mit seinen Gefühlen vollquatschte. Es war der Sommer 1970, wir hatten gerade unseren Abschluss an der Landwirtschaftlichen Mittelschule gemacht. Es gab Hochwasser, das Wasser brodelte, Getreidestroh, Tierkadaver trieben flussabwärts, darüber flog eine einsame Möwe dahin. Am Ufer, wo das Wasser ruhiger floss, saß Renmeis Vater beim Angeln. Unser Mitschüler Li Hand, der Sohn unserer Lehrerin, hockte neben ihm und sah ihm zu.
    »Soll ich es Li Hand auch sagen?«
    »Der ist doch noch klein. Er versteht das nicht.«
    Wir kletterten auf die alte Weide, die auf halber Höhe an der Böschung des Deichs wuchs, und setzten uns auf einen Ast, der über das Wasser ragte. Die Zweige des Astes hingen ins Wasser und rührten immerfort viele kleine Wellenschnüre auf.
    »Was gibt’s denn? Nun sag schon!«
    »Du musst mir zuerst schwören, dass du das Geheimnis niemandem weitersagst.«
    »Gut. Ich schwöre: Wenn ich Wang Lebers Geheimnis ausplaudere, will ich in den Fluss fallen und ertrinken.«
    »Ich habe ... heute ... den Brief, den ich ihr geschrieben habe, eingeworfen«, sagte er mit kreideweißem Gesicht und bibbernden Lippen.
    »Welchen Brief an wen? Was ist das überhaupt für ein feierlich ernster Ton? Hast du an den Vorsitzenden Mao geschrieben, oder was?«
    »Wo denkst du hin? Was habe ich mit dem Vorsitzenden Mao zu schaffen? Ich habe ihr geschrieben. Ihr !«
    » Ihr ? Wen meinst du?« Ich wurde ungeduldig.
    »Du hast geschworen, dass du nie und nimmer mein Geheimnis preisgibst.«
    »Nie und nimmer.«
    »Wozu in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah!«
    »Hör auf, mich auf die Folter zu spannen!«
    »Es ist ...«, Lebers Augen hatten seltsam zu leuchten begonnen. Wie von einem fernen Stern sprach er zu mir: »... meine Shizi ...«
    »Warum schreibst du ihr? Willst du sie heiraten?«
    »Wie kannst du nur so berechnend denken?«, erklärte Wang Leber voll Inbrunst. »Kleiner Löwe, meine Allerliebste! Dir will ich meine Jugend, meine ganze Lebenskraft in heißer Liebe zu Füßen legen. Meine Geliebte! Meine engste Vertraute! Nimm mir bitte nicht übel, dass ich wohl hundert Mal deinen geschriebenen Namen küsste ...«
    Ich bekam eine Gänsehaut, mir lief es kalt den Rücken herunter. Wang Leber rezitierte augenscheinlich seinen Liebesbrief. Er hielt mit beiden Armen den Baumstamm umfangen,

Weitere Kostenlose Bücher