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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Melonen sind nicht süß . Ich möchte ihr Herz mit Ausdauer und Beharrlichkeit erobern.«
    Li Hand schaute zu uns nach oben in den Baum: »Was treibt ihr da für einen Schabernack?«
    Der Koch Wang griff einen Batzen Matsche und bewarf uns damit: »Hört auf, da herumzukrakeelen! Ihr verscheucht mir die Fische!«
    Flussaufwärts kam ein rotblau gestrichenes, mit einem Dieselmotor betriebenes Patrouillenboot aus Stahlblech auf uns zugefahren, der Außenborder ratterte. Alle befiel eine heftige Unruhe. Reißend stürzten die Wassermassen flussabwärts, während das Boot langsam gegen die Strömung fuhr. Am Bug schlugen schäumend die Wellen hoch und teilten sich wie Feldraine zu beiden Seiten des Schiffkörpers in zwei Wellensäume, die auseinanderdrifteten und allmählich wieder zusammenliefen. Aus dem hellblauen Nebel, der über dem Fluss schwebte, stieg ein Geruch von verbranntem Diesel auf und verteilte sich bis zu unseren Nasen. Wohl zwanzig graue Möwen folgten dem kleinen Boot.
    Es handelte sich um das Patrouillenboot des Kommunekomitees zur Geburtenplanung. Meine Tante Gugu benutzte das Boot als Fortbewegungsmittel. Klar, dass auch ihre Assistentin Kleiner Löwe mitfuhr. Der Kreis hatte das Boot zur Verfügung gestellt, weil man verhindern wollte, dass, wenn die Brücke während der Hochwassersaison überschwemmt war, am anderen Ufer Ordnungsverstöße ungeahndet blieben. Denn wer wusste, was dann in Sachen unerlaubte Schwangerschaften dort passieren würde? Um während der Hochwasserzeit an der Front der Geburtenplanung die knallrote Fahne hochzuhalten, damit es in unserer Kommune nicht zu überzähligen Kindern jenseits der Plansolls kam, dafür war dieses Boot unterwegs. Auf dem Boot gab es eine winzige Kajüte, in der man sich auf zwei Reihen mit Skyleder bezogener Sitzbänke niederlassen konnte. Am Heck befand sich ein mit Diesel betriebener 12- PS -Außenbordmotor, am Bug waren zwei Hochfrequenzlautsprecher befestigt, aus denen eine Mao-Hymne schallte. Es war eine Volksweise aus Hunan, eine liebliche, angenehme Melodie. Der Bug schwenkte um, und das Boot fuhr auf unser Dorf zu. Jemand hatte die Musik abgestellt. In der plötzlichen Stille stach das Rattern des Dieselmotors richtig ins Ohr. Jetzt ertönte auch Gugus heisere Stimme: »Unser großartiger Führer, der Vorsitzende Mao, heißt uns zu beherzigen, dass die Menschheit sich bescheiden soll und nur noch planvoll wachsen darf ...«
    Als Gugus Boot in Sichtweite kam, verstummte Wang Leber augenblicklich. Ich sah, wie sein Körper zitterte, wie er mit halb geöffnetem Mund, mit tränenfeuchten Augen auf das Boot starrte. Als es die Flussmitte überquerte und Schräglage bekam, stieß er einen Schrei aus. Er fuhr zusammen, als wolle er in den Fluss springen. Das Boot kam nun in schnellem Tempo mit gleichmäßig tuckerndem Motor auf uns zu gefahren. Meine Tante und Kleiner Löwe kamen!
    Bootsführer war der uns allen vertraute Qin Strom. Sein großer Bruder war nach der Kulturrevolution rehabilitiert worden und nun wieder Parteisekretär. Als Funktionär fühlte er sich durch seinen kleinen Bruder kompromittiert, wenn dieser auf dem Markt bettelte. Daran änderten auch dessen feine Umgangsformen nichts. Er versuchte, mit ihm zu verhandeln.
    Qin Strom stellte eine ungewöhnliche Bedingung: »Besorg mir eine Arbeit in der Abteilung für Frauenmedizin der Kommunekrankenstation!«
    »Du bist ein Mann. Wie willst du da auf der gynäkologischen Station arbeiten?«
    »Es gibt doch viele männliche Frauenärzte!«
    »Du verstehst aber nichts von Medizin!«
    »Warum muss ich Mediziner sein, um dort zu arbeiten?«
    »Nun gut!«
    So wurde er zum Berufsbootsführer des Stationsboots der Abteilung für Geburtenplanung und arbeitete von da an mit meiner Tante zusammen. Wenn gefahren werden musste, fuhr er, wenn nicht gefahren wurde, saß er im Boot und döste.
    Er trug sein Haar immer noch in der Mitte gescheitelt wie die Studenten der Bewegung des Vierten Mai, die man aus dem Fernsehen kennt. Auch im Hochsommer trug er seine dicke Schüleruniform aus Gabardine, in der Brusttasche steckten immer noch seine beiden Stifte – der Füller und der Zweifarben-Kuli –, aber seine Gesichtsfarbe hatte sich verändert. Er war sonnengebräunt. Mit beiden Händen hielt er das Steuerrad und manövrierte das Boot nahe an die Uferböschung auf den alten Weidenbaum zu. Er drosselte den Motor, dafür schallten die Hochfrequenzlautsprecher in so trommelfellerschütternder

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