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Frösche: Roman (German Edition)

Frösche: Roman (German Edition)

Titel: Frösche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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die Mutter sie dazu drängte, sondern sich hinter deren Rücken versteckte. Von klein auf hatte sie tagtäglich Mutter und Oma über den Vater reden hören. Aber als sie ihn endlich zu Gesicht bekam, war er ihr wie ein Fremder erschienen. Wie er so auf der Schwelle gesessen habe, erzählte sie mir, habe meines Onkels Gesicht wächsern ausgesehen, lange Haare habe er gehabt, und an seinem Hals habe sie die Flöhe krabbeln sehen. Aus seiner zerlumpten Jacke sei überall die Baumwollwatte hervorgequollen. Und sie sagte, ihre Oma, also unsere Uroma, habe bitterlich geweint, während sie die Mungobohnen kochte. Der Großonkel habe es nicht erwarten können und sofort, nachdem die Suppe fertig war – obwohl man sich doch die Zunge an einer heißen Suppe verbrennt –, die Schale zum Mund geführt und schnell zu trinken begonnen. Die Uroma habe gemahnt: »Trink nicht so hastig, mein Sohn, im Topf ist noch genug.«
    Meine Tante meinte, ihres Vaters Hände hätten gezittert, und erst nachdem er auch die zweite Schale ausgetrunken hatte, habe das Zittern aufgehört. Schweiß sei ihm von den Wangen und aus den Koteletten getropft. Seine Pupillen hätten sich wieder mit Leben gefüllt, sein Gesicht sei wieder durchblutet worden. Meine Tante erzählte weiter, sie habe es in seinem Bauch schwer rumoren gehört, so laut wie bei einem Kollergang. Nach zwei Stunden sei er aufs Klo gegangen und habe dort einen solchen Durchmarsch gehabt, dass es ihm fast die Gedärme mit herausgetrieben hätte. Danach sei es mit ihm langsam bergauf gegangen, und nach zwei Monaten sei er zum Bäumeausreißen fit gewesen.
    Ich entgegnete, dass ich in den Geschichten aus dem Gelehrtenwald 2 Ähnliches gelesen hätte, und Gugu fragte zurück: »Was sind denn die Geschichten aus dem Gelehrtenwald ?«
    Ich darauf: »Das ist ein Klassiker der chinesischen Literatur«, worauf mir Gugu entgegnete: »Na, wenn das sogar schon in den klassischen Werken der Literatur so steht, glaubst du’s mir ja wohl!«
    Nach seiner Genesung sollte mein Großonkel wieder zurück zur Truppe in das Taihang-Gebirge, aber meine Uroma bat ihn: »Mein Sohn, ich habe keine paar Tage mehr zu leben. Bleib bitte noch, bis ich sterbe.«
    Meine Großtante mochte nichts sagen, deswegen schickte sie ihre Tochter vor: »Papa, Mama sagt, wenn du unbedingt gehen musst, dann mach mir vorher wenigstens noch einen kleinen Bruder.«
    Aber da pochten die Soldaten der Achten Route-Armee des Liautung-Militärgebiets 3 schon an die Tür und wollten ihn zur Mobilmachung mitnehmen. Mein Großonkel war ja Schüler des berühmten Henry Norman Bethune und hochgeachtet. Er erklärte: »Ich gehöre zu den Stützpunkten der Region Shanxi, Chahar, Hebei«, aber die Männer widersprachen.
    »Wir sind doch alle Kommunisten, es ist völlig belanglos, wo wir stationiert sind. Jemanden wie Euch, alter Wan, brauchen wir dringend. Wir wollen Euch in jedem Fall! Kommandant Xu hat uns aufgetragen, wenn wir Euch mit einer von acht Mann getragenen Sänfte nicht bewegen, sollen wir Euch gefesselt zu ihm bringen, dann gilt eben: erst mal Waffengewalt und danach die Ehrungen. Der Kommandant wird ein Bankett zu Euren Ehren geben!«
    So kam es, dass mein Großonkel in Liautung das Xihai-Untergrund-Militärkrankenhaus der Achten Route-Armee gründete.
    Das kleine Hospital befand sich wirklich unter der Erde! Ein unterirdischer Gang führte an den unterirdischen Zimmern vorbei, die sich mit den Türen zum Gang hin öffneten: ein Raum, in dem die Instrumente sterilisiert wurden, ein Behandlungsraum, ein Operationsraum und die Krankenzimmer.
    Das ganze Hospital ist noch an Ort und Stelle erhalten. Auch die achtundachtzig Jahre alte Wang Xiulan aus dem Dorf Zhujia in Yutuan aus unserem Gaomiland, die bei meinem Großonkel damals als Krankenschwester arbeitete, ist kerngesund und immer noch dort. Nicht wenige Krankenzimmer besaßen eine Tür, die direkt zum Brunnenschacht nach draußen aufging. Ein junges Mädchen, das sich beim Wasserholen hinabbeugte und in den Brunnen schaute, weil der Wassereimer plötzlich wie von Geisterhand festgehalten wurde, erblickte dort unten im Schacht einen Grimmassen schneidenden Krankenhauspatienten, einen jungen Soldaten der Achten Route-Armee.
    Dass mein Großonkel ein Meister seines Fachs war, hatte sich in Liautung schnell herumgesprochen. Die Granatsplitter, die beim Kommandanten Xu unter dem Schulterblatt festsaßen, hatte mein Großonkel herausoperiert. Den Kaiserschnitt bei der Frau des

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