Frösche: Roman (German Edition)
über sie pöbeln, sie zur Rechenschaft ziehen, ihnen Schwierigkeiten bereiten und sie nachts, wenn sie im Dunkeln unterwegs sind, mit Backsteinen bewerfen. Selbst ein Fünfjähriger hat mir mit dem Hammer auf die Wade geschlagen.« Tante rollte ihr Hosenbein hoch und zeigte mir den blauen Bluterguss. »Siehst du? Das ist von einem Hieb mit dem Hammer, den mir so ein schieläugiger, kleiner Hundsfott aus Dongfeng beigebracht hat. Ich denke, du erinnerst dich gut an die Sache, die damals mit Fausts Frau passierte?«
Ich nickte, denn ich erinnerte mich gut an das Unglück auf unserem Hochwasser führenden, brodelnden Fluss. Es war jetzt zehn Jahre her.
»Sie selbst war in den Fluss gesprungen. Wir waren es, die sie aus dem Fluss herausfischten. Aber Faust und mit ihm alle Dörfler behaupten, dass wir Xiulian in den Fluss geschubst und ertränkt hätten. Sie schrieben sogar gemeinschaftlich einen Brief, setzten mit Blut gestempelte Fingerabdrücke darunter, reichten Beschwerde ein. Bis zum Staatsrat hoch ging die Sache. Und als es rauskam, sah man keine andere Möglichkeit, als Huang Qiuya zum Sündenbock zu machen.«
Tante zündete sich eine Zigarette an und tat einen tiefen Lungenzug. Der weiße Qualm verhüllte ihr bekümmertes Gesicht. Sie war alt geworden. Zwei tiefe Falten führten von beiden Mundwinkeln hinunter zum Kinn, ihre Augen waren trübe und hatten große Tränensäcke.
»Wir taten alles Menschenmögliche, um Xiulian zu retten und verausgabten uns dabei völlig. Ich nahm mir, um sie zu retten, sogar noch selbst einen halben Liter Blut ab. Sie hatte von Geburt an einen Herzfehler. Da war nichts zu machen, und wir ersetzten Faust den Verlust mit tausend Yuan. Damals war das eine Menge Geld. Faust ließ es dabei jedoch nicht bewenden. Er packte den Leichnam seiner Frau auf den Handwagen und ging damit, zusammen mit seinen drei Töchtern, in Hanftrauerkleidung zum Kreisparteikomitee und machte dort Krach. Er traf tatsächlich den verantwortlichen Kader auf Provinzebene an, der zur Inspektion unserer Geburtenplanung zu uns ins Dorf entsandt worden war. Die Kreispolizei kam mit einem Jeep bei uns vorbei und schaffte mich zusammen mit Kleiner Löwe und Huang Qiuya aufs Revier. Die Polizisten behandelten uns wie Straftäter, kommandierten uns frech mit den rüdesten Schimpfwörtern herum und stießen uns brutal vorwärts und ins Auto. Der leitende Kreiskader wollte mit mir sprechen, aber ich drehte mich weg, sagte, ich spräche nur mit dem leitenden Provinzkader, und stürmte zum Zimmer des Provinzbeamten. Der saß auf dem Sofa und las Zeitung. Ich blicke nur zu ihm hinüber. Das ist doch Yang Lin! Ach, Yang Ling war stellvertretender Provinzgouverneur geworden, machte sich ein feines Leben und pflegte sich. Ich war sofort auf hundertachtzig. Wie ein Maschinengewehr feuerte ich Schimpfsalven, ließ meiner Wut freien Lauf. ›Ihr da oben gebt eure verdammten Anordnungen, und wir an der Basis laufen uns die Füße wund und reden uns den Mund fusselig. Ihr wollt, dass wir alles leise, mit zivilisierten Methoden erklären, Politik vermitteln, Massenpropaganda machen und Überzeugungsarbeit leisten ... und ihr? Steht locker da und redet! Davon tut das Kreuz ja nicht weh, nein, nein ... und das Kinderkriegen ist auch nicht eure Sache! Dass die Möse dabei weh tut, stellt ihr euch nicht mal vor!Kommt an die Basis und tut mal unsere Arbeit! Wir machen uns körperlich kaputt, mit Todesverachtung rackern wir uns ab. Stecken Schikanen und Prügel ein. Fleischfetzen fliegen! Blut spritzt! Und passiert was, unterstützt uns dann unser vorgesetzter Kader? Hält er uns mal den Rücken frei? O nein, der ist immer auf der Seite der hinterlistigen kleinen Leute! Das ist bitter!‹«
Meine Tante war eine in jeder Hinsicht stolze Person.
»Renner, andere Leute hätten vor diesem hohen Kader nicht zu sprechen gewagt. Nicht so deine Tante! Du weißt, ich kümmere mich um solchen Dünnschiss nicht. Ich kann vor hohen Tieren sogar besser reden. Mit gut reden können hat es aber auch nichts zu tun. Der Grund für meinen Redefluss war allein, dass sich bei mir zu viel Verbitterung angestaut hatte. Ich redete und weinte durcheinander. Dazwischen zeigte ich ihm meine Narbe an der Stirn. ›Hat sich Faust, als er mir mit seinem Knüppel den Kopf blutig schlug, strafbar gemacht oder nicht? Wir sind in den Fluss gesprungen und haben sie gerettet. Ich habe einen halben Liter Blut für sie gespendet. Ist das nicht der Beweis äußerster
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