Frösche: Roman (German Edition)
Großmut?‹, sagte ich zu Yang Lin. ›Dann schick mich doch in ein Arbeitslager zur Umerziehung. Sperr mich in ein Gefängnis. Ich will hier sowieso nicht mehr arbeiten!‹ Yang Lin hatte bei meinem Bericht bitterlich zu weinen begonnen. Er stand auf und goss mir ein Glas Wasser ein, ging zur Toilette und brachte mir von dort einen warmen Waschlappen mit. Dann sagte er: ›Es stimmt, dass die Arbeit an der Basis unvergleichlich schwieriger ist. Nicht von ungefähr spricht der Vorsitzende Mao : Dringend erforderlich ist, den Bauern Bildung und Erziehung zu bringen. Genossin Wan, ich verstehe, du hast schwere Entwürdigungen hinnehmen müssen. Die Kreiskader können dich auch verstehen. Wir schätzen dich sehr.‹ Er setzte sich zu mir, lehnte sich an mich und fragte mich, ob ich nicht mit ihm kommen und auf Provinzebene arbeiten wolle? Ich wusste sofort, worauf er hinaus wollte. Aber vor meinen Augen erschienen die Kampf- und Kritiksitzung und seine abscheulichen Worte. Sofort erstarrte ich innerlich. Deswegen sagte ich entschieden: ›Nein, ich kann hier nicht weg. Ohne mich funktioniert die Arbeit hier nicht.‹ Bedauernd schüttelte er den Kopf: ›Na dann wechsle zum Kreiskrankenhaus!‹ Ich sagte wieder: ›Nein, ich gehe nirgendwo anders hin.‹ Aber ich hätte wohl doch mit ihm gehen sollen. Einfach alles stehen und liegen lassen und abhauen. Aus den Augen, aus dem Sinn! Sollen die ihre Kinder doch kriegen. Arsch auf und raus damit! Mir doch egal, ob’s zwei oder drei Milliarden sind. Kann mir doch sagen, wenn der Himmel einstürzt, stützen ihn lange Latten wie der Vorsitzende Mao, mich juckt’s nicht! Warum sollte es auch? Deine Tante zieht ihr ganzes Leben immer nur deswegen den Kürzeren, weil sie zu gehorsam ist, zu revolutionär, zu parteitreu, zu gründlich und zu gewissenhaft.«
»Aber es ist nicht zu spät, wenn dir jetzt die Einsicht kommt!«, wandte ich ein.
»Pfui Teufel!« Tante kochte schon wieder: »Was sind das für Worte? Zur Einsicht kommen! Da erzähle ich dir, der du zur Familie gehörst, mal zwei, drei Sachen, die mich geärgert haben, jammere ein bisschen, und gleich ... Ich sag dir mal eins, ich bin und bleibe eine bedingungslos parteitreue Kommunistin! Sogar während der Kulturrevolution habe ich dem Kommunismus nicht abgeschworen! Dann werde ich’s jetzt ja wohl auch nicht tun! Die Politik der Geburtenplanung muss sein. Wenn wir alle nach Lust und Laune Kinder kriegen lassen, sind es in einem Jahr dreißig Millionen mehr, in zehn Jahren dreihundert Millionen, und nach noch mal fünfzig Jahren haben die Chinesen unseren Globus plattgemacht. Deshalb muss uns jedes Mittel recht sein, wenn es darum geht, die Geburtenrate zu senken. Nebenbei ist das Chinas Geschenk an die Menschheit.«
Ich sagte: »Tante, mir sind die Zusammenhänge klar, aber jetzt zählt nur, dass Renmei fortgelaufen ist ...«
»Ein weglaufender Mönch kommt früher oder später wieder zum Tempel zurück« , erwiderte meine Tante, »wohin soll sie schon gelaufen sein? Die hat sich bei deinem Schwiegervater versteckt.«
»Renmei ist etwas jähzornig, sie hat sich nicht unter Kontrolle. Ich befürchte, dass sie sich etwas antut.«
»Mach dir mal keine Sorgen«, entgegnete meine Tante, keinen Zweifel zulassend. »Ich habe seit Jahrzehnten mit dieser Sorte Frauen zu tun. Ich weiß, wie die ticken. Bei so hysterischen Weibern, die immer gleich sensibel wimmern und bei jedem Bisschen mit Selbstmord drohen, passiert sowieso nichts. Sei beruhigt. Die möchte ihr Leben bestimmt behalten. Schwierig wird es nur bei denen, die nichts sagen, die nur wispern. Da muss man befürchten, dass sie sich aufhängen, im Brunnen ertränken oder Gift trinken. Bald fünfzehn Jahre mache ich Geburtenplanung. Bei denen, die sich umgebracht haben, waren andere Gründe vorrangig. Sei beruhigt, darauf kannst du dich verlassen.«
»Dann sag mir mal, was ich tun soll?«, sagte ich gequält. »Und wenn sie nun von Natur aus nicht in der Lage dazu ist? Sie kann das nicht! Soll ich sie etwa wie ein Schwein auf dem Weg zur Schlachtbank fesseln? Sie gefesselt zum Krankenhaus schaffen?«
»Wenn es nicht anders geht, dann eben mit Gewalt! Besonders bei deiner Frau, denn du bist mein Neffe! Deshalb muss ich mit ihr besonders streng verfahren. Wie soll ich mein Handeln vor anderen vertreten, wenn ich sie laufen lasse? Wenn ich dann einschreite, werden sie mir mit dem Hinweis auf Renmei den Mund verbieten.«
»Unter diesen Umständen muss ich dir
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