Frohes Fest!
sagte er und streichelte ihrer jüngeren Ausgabe über das Haar. »Das mußt du schon selbst besorgen. Du und dein David, ihr müßt euch gegenseitig in eure Zukunft führen. Versuche, nicht die gleichen Fehler zu begehen wie ich. Oder wie deine Mutter. Auch sie hatte dich lieb, die ganze Zeit hindurch. Es war vielleicht schwer für sie, das auszudrücken, doch es war so. Wirst du das tun?«
»Ich verspreche es dir, Pappi.« Ihr kamen Tränen, doch diesmal schmerzten sie nicht.
Er lächelte. »Frohe Weihnachten, Celie.« Das Bild begann sich aufzulösen. Celia kam mit dem Gesicht ganz nah an den Bildschirm heran, um ihn bis zuletzt sehen zu können.
»Lebwohl, Pappi …«
Der Bildschirm wurde schwarz. Sie saß lange Zeit da, das Gesicht an das kühle, nasse Glas gepreßt. Dann holte sie die Kassette heraus, zeigte keine Überraschung, als sie das Etikett leer vorfand, legte sie in die Schachtel zurück und begab sich zum Weihnachtsmorgen-Bankett mit Käseomeletts, Schinken und Grapefruit, das David in der Küche bereitet hatte. Sie mußte ihm noch beibringen, daß sie heute nachmittag wegfahren mußten, um ihre Mutter zu besuchen.
Originaltitel: »Floodlights«
Copyright © 1989 by Martha Soukup
(erstmals erschienen in »Spirits of Christmas«,
hrsg. von Hartwell & Cramer);
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
und der Agentur Luserke, Friolzheim
Copyright © 1991 der deutschen Übersetzung by
Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Uwe Luserke
Uschi Zietsch
Der chinesische Weihnachtsmann
Um halb vier entschloß Johnny sich zu einer Glühweinpause. Er war schon seit fünf Uhr früh unterwegs und brauchte jetzt einen Herzwärmer. Die ganze Stadt war festlich beleuchtet, an jeder U-Bahn-Haltestelle gab es mindestens zwei kleine Buden mit Glühwein, Lebkuchen und Maroni; an größeren Plätzen wurden die Buden zahlreicher und wuchsen sich zu winzigen Weihnachtsmärkten aus. Weihnachten, das Fest der Liebe, wie man so sagt, dachte sich Johnny. Nur wenige Fahrgäste hatte er bis jetzt gehabt, jedesmal für ein lächerliches Kleingeld. Alle waren schlecht gelaunt gewesen, müde, ungesprächig. Johnny war an sich auch kein besonders fröhlicher Mensch, aber diese niedergedrückte Stimmung machte ihm allmählich zu schaffen. Wenn es so weiterging, würde es für ihn ein noch traurigeres Weihnachten werden, als er es sich gedacht hatte. Jedenfalls würde es nicht zu einem Festessen reichen. Denn er hatte zwei Prinzipien: niemals mehr als eine Straße Umweg, und niemals einen Fahrgast bei der Abrechnung bescheißen, und wenn er noch so betrunken war. Johnny konnte sich keine Auffälligkeit leisten. Er war im Hauptberuf Taschendieb.
Das Taxi hatte er sich vor kurzem aus seinem Haupterwerb zusammengespart, und er wollte seine zweite, ehrliche Existenz, die er gerade mühsam aufbaute, nicht aufs Spiel setzen. Er wußte selbst nicht, weshalb er es so wichtig fand, einen ehrlichen Beruf zu haben. Vielleicht, weil er eines Tages aus dem Ghetto am Stadtrand ausbrechen wollte und eher eine Chance bekommen konnte, wenn er einen anständigen Lebenslauf als Taxifahrer vorzuweisen hatte. Eine andere Möglichkeit sah er nämlich nicht. Für große krumme Sachen war er nicht geschaffen. Immerhin hatte ihn sein Grundsatz, sich nicht selbst zu überschätzen, noch nie in Polizeihände gebracht, und das war einzigartig im ganzen Viertel. Er war Einzelgänger, aber die anderen respektierten ihn, weil er nicht registriert war, und kamen ihm nie zu nahe. – Genug gegrübelt, dachte er und parkte den Wagen halb auf dem Gehsteig. Blödes Weihnachten. Es macht mich total sentimental, und was habe ich davon? Frust und einen leeren Magen. Also muß jetzt Glühwein her, sonst fang’ ich noch an zu heulen.
Er stiefelte auf die Buden zu; diesen kleinen Markt kannte er schon von früheren Fahrten her, und er wußte genau, wo es den besten, stärksten und billigsten Glühwein gab: ganz außen, fast im Dunkeln, wo ein normaler Mensch schon gar nicht mehr hinging. Da er kein normaler Mensch war, gehörte er genau da hin, außerdem konnte er sich über die Dummheit der anderen amüsieren.
Die schummrige Beleuchtung paßte zu seiner seltsamen Stimmung, der starke, mit Zimt, Orangen und Nelken durchsetzte Weinduft umnebelte schon seinen Verstand, und zum erstenmal an diesem Tag ließ er sich treiben, befreit und zufrieden, als er unversehens über zwei Füße stolperte und, verzweifelt mit
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