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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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wurde ihm ganz warm ums Herz. Zum ersten Mal würde er so viel einkaufen, wie er tragen konnte, nur mit ehrlich verdientem Geld. Allmählich lenkte er den Wagen zum Stadtrand, als er an einem hell erleuchteten alten Haus vorüberkam, in einer Straße, die er seit fünfzehn Jahren nicht mehr betreten hatte. Unwillkürlich hielt er an. Schaute auf die Geldtasche und wieder auf das Haus. Drei-, viermal. Ach, verdammt! Er griff nach der Tasche, stieg aus und ging in das alte Haus.
    Kurz darauf kam er mit leeren Händen wieder heraus, schlug den Jackenkragen hoch und lief händereibend zum Auto.
    »Es ist verflixt kalt geworden«, schnaufte er und drehte sich zu dem Chinesen um. »Alterchen, ich weiß nicht, wer du bist, aber ob ich mir das je verzeihen kann …«
    Der kleine alte Mann hörte ihm gar nicht zu, er starrte angestrengt aus dem Fenster. »Jungchen, hier war ich schon«, flüsterte er. »Geht die Straße da hinten in den Wald?«
    »Ja.« Johnny fühlte sich wie betäubt, mechanisch legte er den ersten Gang ein und fuhr langsam an.
    »Jetzt rechts!« rief der Alte, als sie die Stadtgrenze erreichten, und deutete auf einen Feldweg. Johnny gehorchte wie im Traum. »Da ist er ja!« schrie der chinesische Weihnachtsmann, und wahrhaftig, ein paar Meter nach der Hauptstraße, auf einer Lichtung, stand ein riesiger Schlitten in Rot und Gold mit zehn Rentieren davor.
    Johnny würgte den Motor ab und beugte sich nach vorne. Er war ganz blaß geworden. »Jetzt bin ich wirklich verrückt geworden«, hauchte er.
    »Komm, Kleiner, schau’s dir an!« rief der Alte glücklich, quetschte sich aus dem Wagen und lief schwankend auf seinen Schlitten zu. Die leuchtenden Rentiere drehten schnaubend die Köpfe zu ihm, die Glöckchen am Zaumzeug klingelten zauberisch.
    »Meine Kinder! Sie haben sich befreit! Und sind hierher …« Der alte Mann drückte sein Gesicht in das weiche Fell seiner Tiere, weinend vor Freude.
    »Aber … aber die Geschenke …«, sagte Johnny leise, der langsam gefolgt war. »Sie sind weg …«
    »Nicht doch«, erwiderte der chinesische Weihnachtsmann. »Nur meine Kleidung ist weg. Wenn es dir recht ist, behalte ich deinen Mantel. Erstens sehe ich nicht ganz so lächerlich aus, und zum zweiten erfriere ich ohne.«
    »Na klar …«, sagte Johnny verständnislos. »Aber die Geschenke …«
    »Was hast du immer mit den Geschenken? Sie sind doch ordentlich verteilt worden. Du hast sie verteilt, mein Junge. Alle bis auf eines, und das erledige ich selber. Hast du denn immer noch nicht begriffen? Du warst mein Gehilfe. Ohne dich wäre es für einige ein sehr trauriges Weihnachten geworden. Vielleicht sollte ich nächstes Jahr doch wieder das vertraute Aussehen annehmen, und der Schlitten ist auch ziemlich altmodisch. Ein Taxi ist schon weitaus komfortabler. Nun, für Erfahrungen ist man nie zu alt.«
    »Nein-nein«, stotterte Johnny. »Leb wohl, Jungchen, hick«, sagte der chinesische Weihnachtsmann und stieg mühsam auf den Schlitten. »Oje«, murmelte er, als er endlich oben saß. »In meinem Kopf dreht sich alles … eins von den Wein … Weinchen war bestimmt schlecht …«
    Johnny brachte kein Wort mehr heraus, stumm winkte er dem Schlitten nach und begann irgendwann zu weinen.
     
    So ein verrückter Traum, dachte Johnny am nächsten Morgen, daß ein Glühwein solchen Schaden anrichten kann …
    Schlaftrunken kroch er aus dem Bett und stieß einen erschrockenen Schrei aus, als er über einen riesigen Karton fiel. Er konnte sich nicht erinnern, daß er gestern abend schon dagestanden war. »Oh-oh«, stieß er verzweifelt hervor, sein Gesicht war leichenblaß, und die Hände zitterten, als er den Deckel langsam anhob.
    Inmitten von Holzwolle lagen ein riesiger Schinken, eine Dose Kaviar, Lachs, Champagner, Butter und Weißbrot. Ein Umschlag war dabei, den Johnny sogleich aufriß. Das fürchterliche Polaroid-Foto und eine Karte fielen heraus.
    Guten Appetit, Junge. Halt den Glühwein bis nächstes Jahr warm. Nick.
     
    Copyright © 1991 by Uschi Zietsch
    (Erstveröffentlichung);
    mit freundlicher Genehmigung der Autorin
    und der Agentur Luserke, Friolzheim

 
    John Brunner
     
    Ein weihnachtliches Verbrechen
     
    Die Weihnachtsfeier in meinem Club, dem Scriblerus, ist für gewöhnlich eine ziemlich langweilige Sache.
    Auf der einen Seite lockt es immer ein oder zwei Dutzend Mitglieder vom Land aus ihrer Zurückgezogenheit, deren jugendlicher Ehrgeiz es war, als ›Mann der Feder‹ zu leben und die zu glauben

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