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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Selbst wenn der Pfeiler über dem Gewölbe zerstört gewesen wäre, das Muster wäre erhalten geblieben, ein beinahe ewiges Leuchtfeuer, das unzerstörbar zu den Sternen hinausrief. Unser Schiff schoß wie ein Pfeil auf dieses gigantische Scheibenzentrum zu.
    Der Pfeiler mußte zur Zeit seiner Erbauung einen Kilometer hoch gewesen sein, aber jetzt sah er aus wie eine Kerze, die zu einer Wachspfütze zusammengeschmolzen ist.
    Wir brauchten eine Woche, um eine Öffnung in das zusammengeschmolzene Gestein zu bohren, da wir für eine solche Aufgabe nicht die richtigen Werkzeuge hatten. Wir waren Astronomen, keine Archäologen, aber wir konnten improvisieren. Unser ursprüngliches Programm war vergessen: dieses einsame Monument, das mit solcher Mühe in der größtmöglichen Entfernung von der dem Untergang geweihten Sonne errichtet worden war, konnte nur eine Bedeutung haben. Eine Zivilisation, die wußte, daß sie bald sterben würde, hatte den letzten Versuch gemacht, unsterblich zu werden.
    Wir werden Generationen brauchen, um all die Schätze zu erforschen, die in dem Gewölbe lagerten. Diese Wesen hatten viel Zeit gehabt, um Vorbereitungen zu treffen, denn ihre Sonne mußte viele Jahre vor der endgültigen Detonation erste Warnzeichen gegeben haben. Alles, was sie hatten erhalten wollen, alle Früchte ihres Geistes, hatten sie in den Tagen vor dem Ende hier auf diese ferne Welt gebracht, in der Hoffnung, daß eine andere Rasse sie eines Tages finden, daß sie nicht völlig dem Vergessen anheimfallen würden.
    Wenn sie nur ein wenig mehr Zeit gehabt hätten! Sie konnten ohne große Schwierigkeiten zwischen den Planeten ihrer eigenen Sonne hin- und herreisen, aber sie hatten noch nicht gelernt, die Abgründe zwischen den Sternen zu überqueren, und das nächste Sonnensystem war hundert Lichtjahre entfernt.
     
    Selbst wenn sie nicht, wie ihre Plastiken zeigen, beunruhigend menschlich gewesen wären, wir hätten sie bewundern und um ihr Schicksal trauern müssen. Sie hinterließen Tausende von optischen Aufzeichnungen und die Geräte, um sie zu projizieren, zusammen mit detaillierten Anweisungen in Bildern, die es uns nicht schwer machen werden, ihre Schriftsprache zu entziffern. Wir haben viele dieser Aufzeichnungen untersucht und zum erstenmal seit sechstausend Jahren die Wärme und Schönheit einer Zivilisation zum Leben erweckt, die unserer eigenen in vielem überlegen gewesen sein muß. Vielleicht zeigten sie uns nur ihre besten Seiten, und das kann man ihnen kaum vorwerfen. Aber ihre Welten waren herrlich, ihre Städte waren mit einer Anmut erbaut, die es mit allem aufnehmen kann, was wir haben. Wir haben ihnen bei der Arbeit und beim Spiel zugesehen und ihrer musikalischen Sprache gelauscht, die über die Jahrhunderte hinweg zu uns drang. Eine Szene steht immer noch vor meinem geistigen Auge – eine Gruppe von Kindern, die an einem Strand aus seltsam blauem Sand in den Wellen spielt, wie es auch die Kinder auf der Erde tun.
    Und ins Meer sinkt, immer noch warm, freundlich und lebensspendend, die Sonne, die bald zum Verräter werden und all dieses unschuldige Glück ausrotten wird.
    Vielleicht hätte uns das alles nicht so tief berührt, wenn wir nicht so weit fort von zu Hause und nicht so der Einsamkeit ausgesetzt gewesen wären. Viele von uns hatten schon die Trümmer uralter Zivilisationen auf anderen Welten gesehen, aber das war uns nie so sehr ans Herz gegangen.
    Diese Tragödie war einzigartig. Wenn eine Rasse ihre Kräfte verliert und stirbt, wie es bei vielen Nationen und Kulturen auf der Erde der Fall war, so ist das eine Sache. Aber so völlig in der Blüte ihres Schaffens vernichtet zu werden, ohne Überlebende zu hinterlassen – wie war das mit Gottes Güte zu vereinbaren?
    Das haben mich meine Kollegen gefragt, und ich habe ihnen geantwortet, so gut ich konnte. Vielleicht hättest du es besser gemacht, Vater Loyola, aber ich habe in den ›Exercitia Spiritualia‹ nichts gefunden, was mir hier geholfen hätte. Es war kein schlechtes Volk: ich weiß nicht, welche Götter diese Leute verehrten, wenn sie überhaupt welche hatten. Aber ich habe sie über die Jahrhunderte hinweg gesehen, habe beobachtet, wie die Schönheit, die sie mit letzter Kraft zu bewahren suchten, im Licht ihrer geschrumpften Sonne wieder zum Leben erweckt wurde.
    Ich weiß, welche Antworten meine Kollegen geben werden, wenn sie zur Erde zurückkommen. Sie werden sagen, daß es im Universum weder Sinn noch Plan gibt, daß in

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