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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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gegen die Antworten, die ihre Gefühle gaben. Nein! Diese vertrauliche Sanftheit, dieses herrische Suchen konnte niemals, auf keinen Fall, Liebe sein, sagte sie sich. Liebe war eine Nadel im Dunkeln, die eine richtige Nadel unter einer Milliarde falschen. Liebe war etwas, das eine Frau überwachte und in jedem Augenblick prüfte, ihre Sinne vom Äußersten bis zum Innersten immer aufmerksamer, ihr Wille eine Milliarde mal bereit, Tod zu verhängen oder Leben willkommen zu heißen. Liebe hatte nichts mit dieser gelähmten Unterwürfigkeit zu tun. Liebe war nicht wie Daurya und Sonista, die sich unaufhörlich anstarrten, während sie einander bis in alle Ewigkeit umkreisten. Eher war sie der nadelspitze Speer, dem man erlaubte, in der Dunkelheit zuzustoßen.
    Außerdem hatte Liebe nur etwas mit Hominiden zu tun. Oder vielmehr hatte sie nur etwas mit dem einen auserwählten Hominiden zu tun, nichts mit einer riesigen Schlange, unheimlicher als eine übergroße Dschungelblume, eine juwelenverkrustete große Seeschlange, oder ein Regenbogenvogel, dessen Flügel Bäume überspannten. Und doch, und doch …
    Aber, wenn es durch irgendwelche unwahrscheinlichen Umstände doch Liebe sein sollte, welche Bedeutung hatte der dunkle Bruder des bleichen Herrn? Wessen schwarzer Kopf und anthrazitfarbene Augen verfolgten aus der Nähe jede Bewegung des flachen Gesichts des bleichen Herrn, tauchten mal auf der einen, mal auf der anderen Seite auf, beobachteten jede Berührung, kamen aber nie nahe genug, um sie mit seiner schwarzen Zunge zu berühren, die schmal und dreigespalten war und verschwommen zitterte. Liebe war etwas für zwei, nicht für drei. War er der wahre Bruder des bleichen Herrn und mußte er mit Ehrfurcht hingenommen werden? Oder sollte er so gehaßt werden, wie der bleiche Herr geliebt wer den sollte? Oder war er in Wirklichkeit nur ein Schatten? Stofflicher als andere Schatten, ein Schatten mit Tiefe ebenso wie mit Breite und Höhe, aber doch nur ein Schatten, ein unveränderliches Anhängsel des bleichen Herrn?
    Und doch, und doch … was anderes als Liebe konnte die in Verzückung umgeschlagene Erregung sein, die sie jetzt ausfüllte, sie fast ohnmächtig machte, als der große Kopf der Schlange innehielt, so daß sie das dreifache Zittern der Zunge durch ihr Gewand spüren konnte, ehe der große Kopf sich zurückzog, von ihr weg.
    »Du hast dir da aber Zeit genommen, es auszukosten, du alter Lustmolch!« murmelte und zischte leise der Erste Maat, denn diese Stellung hatte die schwarze Schlange inne. »Dein Spermapositor ist voll auf seine Kosten gekommen. Ich glaube, du machst deine ganze Arbeit nur, weil du Spaß an solchen Augenblicken hast.«
    »Schluß mit diesem unflätigen Gerede«, erwiderte der Kapitän. »Die Arbeit muß immer behutsam, sanft und mit äußerster Vorsicht ausgeführt werden, weil ihr Gegenstand ein Senfkorn ist, das schließlich die ganze Erde und den Himmel ausfüllen wird.«
    »Das habe ich mir gedacht. Du wirst sentimental«, höhnte der erste Maat. »Senfkorn! Na, hör mal, du erinnerst dich doch sicher an diese Welt – wieviele Implantationen ist das her? – namens Terra oder Gaea oder irgendwas in der Art. Einer deiner bemerkenswerteren Fehlschläge.«
    »Einer meiner bemerkenswerten Erfolge«, widersprach der Kapitän.
    »Ich verstehe nicht, in welcher Hinsicht. Soweit ich mich erinnere, haben ihn seine Leute unter größtmöglichen Schmerzen umgebracht. Und uns sind später Berichte über noch katastrophalere Auswirkungen zugegangen.«
     
    »Genau! Sie haben ihn umgebracht. Und indem er so starb, befruchtete er emotional und geistig seine ganze Welt. Du verstehst meine Methoden noch immer nicht. Die Beobachtung hat deine blinden Flecken nur noch blinder gemacht. Mein Sohn starb, aber seine Ideen – vor allem die Idee der Liebe – leben fort.«
    »In äußerst verzerrten Formen«, meinte der Erste Maat, »werden sie schließlich die Hälfte der Rasse zu einer fetten Beute, zu Opfern machen, die noch mehr kriechen müssen als vor deiner ›großen Arbeit‹, und die andere Hälfte zu noch unbarmherzigeren Jägern. Eine schizophrene Spaltung im kollektiven Unterbewußtsein. Laut dem letzten Bericht wird das Volk dieses Planeten von Furcht und Habsucht regiert, während die großen Nationen sich darauf vorbereiten, sich gegenseitig mit chemischen, biologischen und atomaren Waffen zu vernichten.«
    »Das stimmt schon. Aber sie haben sich nur darauf vorbereitet, sie haben’s nicht

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