Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)

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Geheimnis rankt sich um das Verschwinden der Londoner Postkutsche am letzten Dienstag in einem Schneesturm von beträchtlicher Heftigkeit. Ein Schneesturm von solcher Macht, daß sich selbst die ältesten Bürger nicht an etwas Ähnliches erinnern können. Man geht davon aus, daß der Kutscher in dem wütenden Blizzard bei Silbury vom Weg abgekommen ist und die Pferde von der Straße geführt hat, um Schutz hinter einer Hecke oder einer Scheune zu suchen, wo er aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Schneewächte begraben wurde. Die ausgeschickten Suchmannschaften fanden den Kutscher, der im Zustand schwerer geistiger Verwirrung herumirrte, und brachten ihn nach Bath zurück …«

    Aus den Aufzeichnungen von Thos. Lunn, Arzt in Chippenham, Wilt.:
    Die Welt ist wie ein Tuch, das über die Abgründe des Chaos gebreitet ist. Das, was wir geistige Gesundheit nennen, ist nichts weiter als ein kleiner, heller Kreis, den ein Kaminfeuer wirft, und nachdem ich mit dem armen, verwirrten Mann im unteren Geschoß gesprochen hatte, zeigte sich, daß es ihn ziemlich schwer erwischt hatte.
    Selbst jetzt, da mein Licht der Wissenschaft heller leuchtet und die Vorhänge meines Arbeitszimmers die weihnachtliche Stimmung im Raum einschließen, erschaudere ich vor den Bildern, die er mir vermittelte. Gäbe es nicht den handfesten Beweis, den ich vor mir liegen habe, während ich dies schreibe, und der im Lichtschein des Feuers verführerisch glänzt, würde ich alles, was ich erfahren habe, als Ausgeburt eines verwirrten Geistes abtun. Wir haben es dem Mann in dem vorderen Zimmer so bequem gemacht, wie es die Stricke erlauben, doch seine Schreie passen zu diesem Weihnachtsabend wie Totenschädel in ein Blumenbeet.

    »Ist der Weihnachtsmann am Kommen /
    Oder atmet er nur schwer?
    Dieses Weihnachten können wir ordentlich einen e inschieben!!!
    Schluckspecht Ex Ex Ex!«

    Von draußen dringen Stimmen herein. Weihnachtsgesang! Erkennen die Leute nicht die schreckliche, schreckliche Gefahr? Selbst wenn ich das Fenster aufreißen und sie auffordern würde, die Straße zu verlassen, was könnte ich auf ihre naheliegenden Fragen nach dem Warum antworten? Denn wenn ich es versuchte, dann würde man auch mich für verrückt halten … Aber ich muß zu Papier bringen, was der Kutscher mir in seinen klaren Momenten, bevor die Verwirrung ihn gänzlich in ihre Krallen bekam, erzählte.
    Meine Leser sollen damit anfangen, was ihnen gutdünkt.
    Seine Augen waren die eines Mannes, der die Hölle gesehen und dort einen Teil seiner selbst zurückgelassen hat. Manchmal war er völlig klaren Verstandes, dann beschwerte er sich über die Fesseln, die ihm seine Retter aus Furcht, daß er sich bei seinen Ausbrüchen von Raserei verletzen könnte, angelegt hatten. In anderen Momenten versuchte er seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen und deklamierte die Worte und Sätze, die ihn in den Wahnsinn getrieben hatten.
    »Zwanzig Pence – mit Umschlag und Weihnachtsgrüßen«
    Und in seinen lichten Momenten erzählte er mir …

    Das Tor zur Hölle
    Es war ein fürchterlicher Tag gewesen. Der Schnee wurde über das Land getrieben und verwandelte die Berge westlich von Silbury in eine große, weiße Wüste. Unter solchen Umständen ist es leicht möglich, von der Straße abzukommen, deshalb war er vom Kutschbock gestiegen, um die Pferde am Zügel zu führen. Doch im Gegensatz zu dem, was man in den Zeitungen lesen konnte, war der Schnee in den Bergen nicht unpassierbar tief, und der Sturm hatte sich gelegt, so daß man die sinkende Sonne sehen konnte. Die Stimmung unter den Fahrgästen war allgemein gut, da schon die Lichter von Caine zu erkennen waren, und alle freuten sich, bei Einbruch der Nacht von der unwirtlichen Straße herunter zu sein.
    Doch dann, so berichtet er, erklang ein knackendes Geräusch, der Schemen eines Schattens erschien, und die Welt veränderte sich, oder, wie er glaubt, sie traten von dieser Welt in eine andere über. Vor ihnen tat sich ein großes, viereckiges Loch in der Landschaft auf.
    Heute behauptet er, daß es der Eingang zur Hölle war, und obgleich es nicht die Hölle war, die Dante aufgesucht hatte, habe ich die unterschwellige Gewißheit, daß seine unwissende Vermutung wahrscheinlich der Wahrheit entspricht. Da war etwas, eine Art Glitzern, an der Kante der Welt, und, als er den zusammengeschobenen Schnee untersuchte, fand er die Schneewehen an der Abbruchkante von einer rätselhaften Substanz bedeckt. Es schienen