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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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Weihnachtsmannkostüm ausläßt, da es seit letzten Weihnachten aus irgendwelchen Gründen eingegangen ist. Dann muß ich mich um Pinky MacFarlane kümmern, die während der Probe der Himmlischen Sieben an der Tür von Big Tonys Suite gelauscht hat, und ihr ausreden, sich aus der Luftschleuse zu stürzen, weil sie sich solche Vorwürfe wegen der schrecklichen Dinge macht, die sie über Mike gesagt hat, bevor sie wußte, was für eine himmlische Stimme er hat. Dann muß ich mir die technische Mannschaft der Station vornehmen, damit sie die Außenhülle über der Decke des Wiesen-Raums entfernt und danach die elektronisch erzeugte Landschaft und die Sonne ausschaltet, sowie die kleinen Wolken abhängen, die nichts weiter sind als kleine konkave Glasscheiben. Dann muß ich ein Kostüm für die Himmlischen Sieben aus den Vorschlägen des Stations Couturier auswählen und sie dazu überreden, es anzuziehen, da sie sich aus irgendwelchen Gründen dagegen sperren. Dann muß ich die automatische Küche und den Barautomaten überprüfen, ob sie in tadellosem Zustand und ausreichend mit den Dingen des leiblichen Wohls bestückt sind. Dann muß ich einen Streit unter den Engeln schlichten, der darum geht, welche von ihnen die Lichter des Weihnachtsbaums anschalten darf. Ich kann Ihnen sagen, einen Himmel zu führen, kann einem manchmal ganz schöne Kopfschmerzen bereiten.
    Doch am Ende hat alles geklappt. Die Bühne ist fertig, der Christbaum ist geschmückt, die Lichter sind eingeschaltet, die Engel haben aufgehört zu streiten, die Außenhülle über der Decke des Wiesen-Raums ist entfernt, Big Tony hat sich in seinen Weihnachtsmannanzug gezwängt, die Himmlischen Sieben stecken in ihren Kostümen, die automatische Bar ist geölt, der Mistelzweig ist aufgehängt, die Himmelspforte ist poliert, Friede ist die Losung, und wir alle sind bereit loszulegen.
    Das Team des Fernsehens erscheint um halb acht und bringt seine Gerätschaften in Stellung. Mit ihm kommt ein professioneller Ansager, der die Show ankündigen wird. Die ersten Gäste treffen um Viertel nach acht ein. Ich begrüße sie an der Himmelspforte, wobei ich meinen neuen, für diese Gelegenheit angefertigten tiefblauen Anzug trage und eine neue Kapitänsmütze. Eine Fähre nach der anderen kommt herein, und die Menschen strömen in die automatische Bar, in den Wiesen-Raum und weiter in den See-Raum. Meist halten sich die dort auf, die im Moment genug von der weihnachtlichen Stimmung haben und etwas davon wieder abarbeiten wollen. Um neun Uhr sind wir so überfüllt, daß wir keine weitere Seele mehr aufnehmen könnten, selbst wenn wir müßten.
    Ich verlasse den Wiesen-Raum und suche mir meinen Weg durch die Gäste und die Engel, zwischen den Roulettetischen hindurch zur Lounge, wo Big Tony mit je einem Engel auf jedem Knie sitzt. Ich schiebe mich zwischen ihn und seinem Geschenkesack, der mit Pikkolos gefüllt ist, die er an Mitternacht verschenken wird. Auf jedem Tisch befinden sich rote und grüne Lampen, doch die Hauptlichtquelle sind die Sterne. Sie wirken am Himmel wie Kerzen und bei der langsamen Drehung der Weltraumclubstation sieht es so aus, als ob sie aus eigenem freien Willen vorbeiziehen würden. Ein Ausschnitt der Erde erscheint und für eine Weile ist die grüne Küstenlinie von Nordamerika zu sehen, die vom Blau des Pazifischen Ozeans begrenzt wird; dann ist der Ausschnitt verschwunden, und die Sterne sind wieder an seinen Platz getreten.
    Um 21.25 Uhr kommt der Fernsehansager in die Lounge und tippt mir auf die Schulter. Es ist Zeit. Ich schnippe mit den Fingern, die Tonbandmusik, die bis jetzt im Hintergrund zu hören war, verstummt, und eine im Glasdach eingebaute Linse konzentriert das Sternenlicht auf die Bühne. Die Himmlischen Sieben treten aus dem Dunkel, schreiten in den Lichtkegel und die Fernsehkameras fahren nach vorn. Sogleich tritt der Ansager vor die Sieben und hebt die Hand, damit Ruhe eintritt. Wir sind auf Sendung.
    Er hält eine kurze Rede über den Siebten Himmel Club, lobt ihn über den grünen Klee und behauptet, daß niemand wisse, was wahres Entzücken ist, bevor man nicht seine Himmelpforte durchschritten habe. Dann lobt er die sechs anderen Himmel und danach den Besitzer. Während er das sagt, kommt eine der Fernsehkameras zu uns herübergefahren und richtet ihr Glasauge auf Big Tony in seinem Weihnachtsmannkostüm und die beiden Engel, die auf seinen Knien sitzen. »Und nun«, resümiert der Ansager, »will ich Ihnen ohne

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