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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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getroffen. Selbst
wenn sie kein Drachen wäre, hätte ich dich kaum mit ihr bekannt gemacht.
Freunde und Verwandte passen selten zusammen.“
    Sie starrte mich noch immer forschend an. Ich war
sehr gekränkt, doch mir fiel nichts ein, womit ich Lottys argwöhnisches
Schweigen hätte brechen können. Ich hatte einen Kloß im Hals, aber ich zwang
mich zum Sprechen. „Hör mal Lotty: Du kennst mich jetzt fast zwanzig Jahre, und
ich habe nie etwas hinter deinem Rücken getan. Wenn du glaubst, ich täte das
jetzt...“ Nein, so ging es nicht. Der Anfang war falsch. Also andersherum. „Es
gibt etwas im Zusammenhang mit deinem Onkel was ich nicht wissen soll. Du mußt
es mir nicht sagen. Nimm's ruhig mit ins Grab. Aber tu nicht so, als sei alles,
was zwischen uns gewesen ist, plötzlich nichts mehr wert.“ Mir ging ein Licht
auf. „Nein! Sag bloß nicht, dein Onkel ist ein Fälscher!“
    Der versteinerte Ausdruck hielt sich noch ein
Weilchen in Lottys Gesicht, dann verwandelte er sich in ein gequältes Lächeln.
„Du liegst richtig, Vic. Es stimmt alles - das mit meinem Onkel und auch, was
du über uns beide gesagt hast. Als der Krieg zu Ende war, erfuhr ich, daß von
meiner Familie nur noch mein Bruder übriggeblieben war, abgesehen von den entfernten
Vettern, die uns während des Krieges bei sich aufgenommen hatten. Mein Bruder
und ich scheuten weder Kosten noch Mühe bei der Suche nach weiteren
Angehörigen. Dabei stießen wir auf Vaters Bruder Stefan.“ Ihre linke Hand
schien etwas wegzuwischen. „Ich machte mich auf die Suche nach Onkel Stefan -
und entdeckte ihn im Staatsgefängnis Fort Leavenworth. Banknoten waren seine
Spezialität, aber er hatte auch eine soziale Ader. Er fälschte nämlich Pässe,
die damals in Europa reißenden Absatz fanden, weil viele nach Amerika auswandern
wollten.“
    Plötzlich grinste sie mich an, wieder ganz die alte.
Ich lehnte mich über den Tisch und drückte ihre Hand. Sie erwiderte den Druck,
redete aber weiter. Ärzte und Detektive wissen, was eine Aussprache bedeuten
kann. „Ich besuchte ihn und fand ihn sympathisch. Er erinnert mich an meinen Vater,
obwohl er andere moralische Wertvorstellungen hat. Als er neunundfünfzig
entlassen wurde, ließ ich ihn ein halbes Jahr lang bei mir wohnen. Ich war
seine einzige Verwandte. Soweit mir bekannt ist, hat er sich nie mehr etwas
zuschulden kommen lassen. Natürlich habe ich ihn nicht danach gefragt.“
    „Klar. Also werde ich mir einen anderen Graveur
suchen.“
    Wieder lächelte sie. „Aber nein. Wieso sollten wir
ihn nicht anrufen? Er ist zwar schon zweiundachtzig, aber er hat seine fünf
Sinne noch beisammen. Vielleicht ist er der einzige, der dir helfen kann.“ Sie
wollte am nächsten Tag mit ihm reden und einen Teenachmittag für ihn und mich
arrangieren.
     
    7
Christliche Nächstenliebe
     
    Am nächsten Morgen war die Luft klar und kalt.
Gleißende Wintersonne lag auf den Schneewehen am Straßenrand. Die Halsted
Street war nicht geräumt worden. Der Wagen holperte von einer Eisrinne zur
anderen.
    Kurz nach zehn bog ich nach Norden ab, in Richtung
Melrose Park. Dort waren selbst die Nebenstraßen sauber geräumt. Auch der Weg
zum Seiteneingang von Rosas Haus war sorgfältig freigeschaufelt.
    Albert öffnete mir. Das Licht fiel auf ihn, und so
sah ich genau, wie gereizt er aussah. „Was suchst du hier?“
    „Albert, Rosa hat hundertmal betont, wie wichtig es
ist, daß eine Familie zusammenhält. Sie wäre bestimmt empört, wenn sie hören
würde, wie unhöflich du mich empfängst.“
    „Mama will nicht mit dir sprechen. Das habe ich dir
doch schon neulich deutlich gemacht.“
    Ich schob die Tür auf. „Nein, du hast nur gesagt, du willst nicht, daß ich mit ihr
rede. Und das ist ein Riesenunterschied.“
    Albert wiegt siebzig Pfund mehr als ich, und
vielleicht dachte er deshalb, es sei ein Kinderspiel, mich zur Tür hinauszudrängen.
Aber ich drehte ihm den Arm um und drückte mich an ihm vorbei. Seit Wochen fühlte
ich mich wieder einmal richtig wohl.
    Rosas barsche Stimme drang aus der Küche in die
dämmrige Diele. Sie wollte wissen, wer gekommen sei.
    Ich ging der Stimme nach. Albert folgte mit
verdrossener Miene. „Ich bin's, Rosa“, sagte ich, als ich die Küche betrat. „Ich
finde, wir sollten uns mal ein bißchen über Theologie unterhalten.“
    Rosa war beim Gemüseschneiden. Sie knallte das
Messer auf den Tisch, wandte mir das Gesicht zu und fauchte mich an: „Ich habe
nicht die Absicht, mit dir zu

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