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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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gemütliches Bad würden mich wieder auf die Beine bringen.
Vermutlich reichte die Zeit sogar noch für die Dezemberabrechnung.
    Um vier, als gerade mein Badewasser einlief, rief
Lotty an, um zu fragen, ob ich am nächsten Tag mit ihr Onkel Stefan besuchen
wollte. Wir vereinbarten, daß ich sie um drei abholen würde. Ich lag so richtig
gemütlich und faul im Wasser, als das Telefon wieder klingelte. Zuerst ließ ich
es klingeln, doch dann fiel mir ein, daß es Ferrant sein könnte, dem vielleicht
etwas dazwischengekommen war. Ich sprang aus der Wanne, von oben bis unten voll
Chanelschaum. Aber wieder kam ich zu spät.
    Was für ein Pech! Doch nun hatte ich mich lange
genug vor der Arbeit gedrückt. Ich zog mir Bademantel und Hausschuhe an und
ging ans Werk. Gegen fünf Uhr hatte ich meine Jahresabrechnung fürs Finanzamt
fast fertig, die Dezemberrechnungen für meine Mandanten waren versandbereit.
Stolz über meine Leistung, beschloß ich, mich fürs Kino umzuziehen.
    Ferrant wollte sich mit mir die
Sechs-Uhr-Vorstellung von Zeit der Zärtlichkeit im Sullivan ansehen.
    Er wartete bereits vor dem Kino auf mich, eine
Höflichkeit, die ich zu würdigen wußte, und gab mir einen heißen Kuß. Die
nächsten beiden Stunden teilten wir unsere Aufmerksamkeit zwischen Shirley
MacLaine und gegenseitigen Liebkosungen. Nach der Vorstellung beschlossen wir,
vor dem Essen erst zu mir nach Hause zu gehen.
    Arm in Arm erklommen wir die Treppe. Ich zog gerade
den Schlüssel aus dem zweiten Schloß, als schon wieder das Telefon läutete.
Beim vierten Läuten war ich am Apparat.
    „Miss Warshawski?“
    Eine fremde Stimme, unpersönlich und akzentfrei,
mittlere Stimmlage. „Ja?“
    „Ich freue mich, Sie endlich zu erreichen. Sie
führen Ermittlungen über die Wertpapierfälschungen im Sankt-Albert-Kloster,
stimmt's?“
    „Wer ist da?“ fragte ich scharf.
    „Ein Freund, Miss Warshawski. Sie könnten mich als
amicus curiae bezeichnen.“ Er lachte unheimlich selbstzufrieden. „Lassen Sie
die Finger von der Sache. Sie haben so schöne graue Augen. Es wäre ein Jammer,
wenn Ihnen jemand Säure hineinspritzen würde.“ Die Verbindung wurde
unterbrochen.
    Ich stand da, das Telefon in der Hand, und starrte
es ungläubig an.
    „Was ist los, Vic?“ Ferrant war zu mir
herübergekommen.
    Vorsichtig legte ich den Hörer auf. „Wer sich in
Gefahr begibt, kommt darin um.“ Es hatte locker klingen sollen, aber meine
Stimme zitterte. Roger wollte den Arm um mich legen, doch ich schob ihn sanft
weg. „Ich muß jetzt einen Augenblick allein sein. Im Einbauschrank im
Wohnzimmer sind Getränke. Schenk uns etwas ein.“
    Er zog ab, und ich saß immer noch da und starrte das
Telefon an. Detektive bekommen eine Menge anonymer Anrufe oder Briefe; wenn man
alles ernst nehmen würde, käme man im Nu in die Klapsmühle. Der drohende
Unterton in der Stimme dieses Mannes erschien mir jedoch sehr glaubwürdig.
Säure in die Augen. Mir lief es kalt den Rücken runter.
    Ich hatte in vielen Töpfen gerührt, und jetzt begann
einer zu brodeln. Aber welcher? War die arme, verschrumpelte Tante Rosa etwa
übergeschnappt und hatte jemanden vorgeschickt, um mich einzuschüchtern? Bei
dem Gedanken mußte ich über mich selber lachen; dadurch kam mein seelisches
Gleichgewicht allmählich wieder ins Lot. Aber wenn es Rosa nicht war, mußte es
jemand aus dem Kloster gewesen sein. Und das war genauso absurd. Hatfield wollte,
daß ich die Finger von dem Fall ließ; aber so ein Anruf war nicht sein Stil.
    Roger kam mit zwei Gläsern Burgunder herein. „Du
bist ganz blaß, Vic. Wer war das am Telefon?“
    „Ich wollte, ich wüßte es. Er sprach so - so unecht.
Ohne Akzent. Wie destilliertes Wasser. Irgend jemand will verhindern, daß ich
mich um die Fälschungen kümmere. Man hat mir mit einem Säureattentat gedroht.“
    Er war entsetzt. „Du mußt die Polizei anrufen. Das
ist ja grauenvoll!“ Er nahm mich in den Arm, und diesmal schob ich ihn nicht
weg.
    „Die Polizei kann gar nichts machen. Wenn ich ihnen
das erzählen würde... Hast du eine Ahnung, wie viele Leute hier jeden Tag
Anrufe von Spinnern bekommen?“
    „Sie könnten aber jemanden zu deinem Schutz abkommandieren.“
    „Klar. Wenn sie nicht achthundert Morde aufzuklären
hätten. Die Polizei kann mir nicht eine Wache stellen, bloß weil mich ein
Schwachsinniger angerufen hat.“
    Besorgt bot er mir an, ich solle bei ihm wohnen, bis
sich die Lage beruhigt hatte.
    „Danke, Roger. Das ist nett von dir.

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