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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Argumenten. Sie gerieten ganz schön aneinander, auf deutsch
mittlerweile, bis Lotty wieder empört ins Englische zurückfiel: „Wir werden auf
deinen Grabstein schreiben: >Gestorben an Eigensinn<.“
    Danach besprach ich mit Onkel Stefan praktische
Details. Er behielt mein Acorn-Zertifikat da und machte ein paar nach. Die
erforderlichen Werkzeuge beschaffte er sich auf meine Rechnung. Vorsichtshalber
sollte er nicht mit mir telefonieren - man konnte nie wissen, ob mein anonymer
Anrufer seine Drohung nicht ernst meinte. Wenn er mich brauchte, sollte er eine
Anzeige in den Herald-Star setzen. Zu meiner Enttäuschung war nicht mit
raschen Ergebnissen zu rechnen.
    „Das ist keine Sache von Tagen, sondern von Wochen -
von etlichen Wochen, meine Liebe.“
    Wir verabschiedeten uns ausführlich und umständlich.
Lotty allerdings verhielt sich ein bißchen reserviert. Im Auto bemerkte sie: „Ich
glaube, ich kann dich in Zukunft bei altersbedingten Erkrankungen als
Beraterin zuziehen. Du läßt die alten Leute einfach bei Kriminalfällen
mitarbeiten, das bringt einen Hauch von Jugend und Abenteuer in ihr Leben, und
sie denken nicht ständig darüber nach, wie sie mit ihrer mageren Rente über die
Runden kommen sollen.“
    Ich bog in die Route 41 ein. Die Fahrt auf der
ruhigen Strecke am See entlang und durch ein Villenviertel würde angenehm
werden. „Tut mir leid, Lotty. Ich habe wirklich nur gehofft, daß dein Onkel mir
die Namen der Fälscherelite von Chicago nennen könnte. Offen gestanden: Ich
finde, daß sein Plan ziemlich ausgefallen ist. Wer sagt mir außerdem, ob sich
die richtigen Leute melden, falls es ihm überhaupt gelingt, Kontakte
herzustellen? Trotzdem - die Idee ist gut. Im übrigen wäre mir ein charmanter
Krimineller als einziger Verwandter bestimmt lieber als ein tugendhafter
Drachen. Wenn's dich zu sehr aufregt, tausche ich Onkel Stefan gegen Rosa.“
    Darüber mußte Lotty lachen, und die restliche Fahrt
verlief recht friedlich. Nach einem thailändischen Essen am Rande der North
Side setzte ich Lotty vor ihrer Wohnung ab und rief von zu Hause aus gleich den
Auftragsdienst an. Pater Carroll hatte sich gemeldet sowie Murray Ryerson vom Star.
    Zuerst versuchte ich's bei Carroll. „Tut mir leid,
daß ich nicht mit Ihnen reden konnte, als Sie gestern hier waren. Ich weiß
nicht, ob Sie's schon gehört haben. Heute früh gab's eine Riesenüberraschung:
Die Papiere sind wiederaufgetaucht.“
    Ich war wie betäubt. „Das gibt's doch nicht“,
brachte ich endlich heraus. „Wo hat man sie gefunden?“
    „Sie lagen auf dem Altar, als wir die Frühmesse
abhalten wollten.“ An einem Sonntagmorgen hatten weit über hundert Leute
Zutritt zur Klosterkapelle, und es war nicht mehr festzustellen, ob irgend
jemand schon vorher dort gewesen war. Das FBI hatte die Wertpapiere zunächst
beschlagnahmt, aber Hatfield hatte gegen drei angerufen und die Echtheit
bestätigt. Man wollte im Labor noch ein paar Untersuchungen machen. Carroll war
sich nicht sicher, ob das Kloster die Papiere jemals wieder erhalten würde.
    Aus reiner Neugier fragte ich ihn, ob Rosa an der
Frühmesse teilgenommen hatte. Ja, das hatte sie, und ihr grimmiger Blick hatte
jeden davon abgehalten, das Wort an sie zu richten. Sie war ohne ihren Sohn
gekommen, wie immer. Kurz ehe er auflegte, fiel ihm noch meine Frage ein, ob
Rosa eventuell einen Vertrauten im Kloster habe, der sie bewogen haben könnte,
die Ermittlungen einstellen zu lassen. Sie hatte mit keinem der Ordensgeistlichen
gesprochen.
    Dann kam Murray dran. Die wiedergefundenen
Wertpapiere beeindruckten ihn weit weniger, als ich erwartet hatte. Er war
bereits hinter den allerletzten Neuigkeiten her.
    „Vor ungefähr zwanzig Minuten hatte ich Hatfield an
der Strippe. Du weißt ja, wie arrogant und zugeknöpft der Kerl ist. Ich konnte
auch kein bißchen aus ihm rausquetschen wegen der Papiere, trotz aller
Finessen. Zum Schluß habe ich ihn überrumpelt, und er mußte mehr oder weniger
zugeben, daß das FBI die Nachforschungen einstellt. >Wir ermitteln auf
Sparflamme<, sagte der alte Quatschkopf. Was im Klartext heißt, sie legen
die Sache ad acta.“
    „Nachdem die echten Papiere aufgetaucht sind,
brauchen sie sich ja auch nicht mehr so reinzuknien.“
    „Natürlich! Ich glaub' noch an den Osterhasen.
Erzähl das jemand anders!“
    „Okay, du supergescheiter Zeitungstiger. Wer setzt
hier die Daumenschrauben an? Das FBI fürchtet sich vor niemandem, höchstens vor
Edgar Hoovers Geist.

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