Fromme Wünsche
statt?“
„Es gibt nur eine Feier im engsten Familienkreis. Um
ihren Tod ist schon genug Wirbel gemacht worden.“ Er schwieg einen Augenblick.
„Meine Frau meint, Sie wüßten vielleicht, wer sie umgebracht hat. Stimmt das?“
„Wenn das so wäre, hätte ich's doch der Polizei
gesagt, das dürfen Sie mir glauben. Ich kann ja verstehen, daß Sie nicht einen
Haufen Reporter dabeihaben wollen. Aber Agnes und ich waren seit langem
befreundet, und ich möchte ihr gern die letzte Ehre erweisen.“
Er wollte erst nicht mit der Sprache heraus, doch
schließlich bequemte er sich, mir zu sagen, daß die Beerdigung am Samstag in
der Kirche Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz in Lake Forest stattfinden
sollte. Ich bedankte mich übertrieben höflich und rief Phyllis Lording an. Wir
verabredeten, gemeinsam hinzugehen, für den Fall, daß am Kircheneingang unerwünschte
Personen zurückgewiesen würden.
Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Bei jedem
Geräusch in der Wohnung fuhr ich zusammen, und ich mußte mich zwingen, ans
Telefon zu gehen. Ferrant meldete sich in gedrückter Stimmung, um von mir
Näheres über die Beerdigung zu erfahren. „Glaubst du, ihre Eltern haben etwas
dagegen, wenn ich komme?“
„Vermutlich. Sie wollten nicht mal mich dabeihaben,
und ich bin eine ihrer ältesten Freundinnen. Aber geh trotzdem hin.“ Ich nannte
Ort und Zeit und erklärte ihm den Weg. Als er fragte, ob er mich begleiten
dürfe, erzählte ich ihm von Phyllis. „Sie ist bestimmt nicht gefaßt darauf, bei
Agnes' Beerdigung fremden Leuten zu begegnen.“
Auch seine Einladung zum Essen schlug ich aus. Ich
glaubte zwar nicht ernstlich daran, daß er einen Killer angeheuert hatte, der
mich mit Säure übergießen sollte - aber man wußte ja nie... Wir hatten am Tag
meines ersten Besuchs im Kloster zusammen gegessen. Und am Tag darauf hatte
Rosa beschlossen, die Ermittlungen einzustellen. Ich hätte ihn gerne einfach
danach gefragt, aber dann kam ich mir doch ein bißchen komisch vor.
Ich hatte Angst, und das behagte mir nicht. Sie
machte mich mißtrauisch gegen meine Freunde. Wo sollte ich mit der Suche nach
dem Säureattentäter beginnen? Als ich mich gegen Mittag zaghaft in die Halsted
Street wagte, um mir ein belegtes Brötchen zu holen, kam mir eine Idee, wie
sich meine beiden dringendsten Probleme vielleicht mit einem Schlag lösen
ließen. Ich rief Murray von der Snackbar aus an.
„Ich muß mit dir reden“, erklärte ich knapp. „Ich
brauche deine Hilfe.“
Er war sofort damit einverstanden, sich mit mir um
fünf Uhr im Golden Glow zu treffen.
Um halb fünf zog ich meinen dunkelblauen Hosenanzug
an und stopfte eine Zahnbürste, den Revolver und eine Garnitur Unterwäsche in
die Handtasche. Ich überprüfte alle Schlösser, bevor ich über die Hintertreppe
aus dem Haus schlich. Ein Blick in die Runde bewies mir, daß meine Angst
umsonst gewesen war. Niemand lag auf der Lauer. Auch den Wagen untersuchte
ich gründlich.
Auf dem Lake Shore Drive blieb ich im Verkehr
stecken und kam prompt zu spät. Murray wartete bereits auf mich. Er hatte die
Morgenausgabe des Herald-Star vor sich und ein Bier.
„Hallo,
V.l.! Was ist los?“
„Murray, kennst du jemanden, der Leute mit Säure bespritzt,
wenn er etwas gegen sie hat?“
„Nein. Meine Freunde tun so was nicht. Wer wurde
denn mit Säure bespritzt?“
„Ich.“ Ich zeigte ihm meinen Nacken, auf den Lotty
ein Pflaster geklebt hatte. „Er wollte mir die Säure eigentlich in die Augen
schütten. Aber ich war darauf gefaßt und konnte gerade noch ausweichen. Getan
hat's vermutlich ein gewisser Walter, aber mich interessiert sein
Auftraggeber.“
Ich berichtete von den Drohanrufen und dem
Säureanschlag und beschrieb die Stimme des Anrufers. „Ich habe Angst, Murray,
und das passiert nicht oft. Aber wenn ich dran denke, daß irgendein Verrückter
will, daß ich blind werde, dann noch lieber eine Kugel in den Kopf!“
„Offenbar trittst du einem auf die Hühneraugen. Aber
ich weiß nicht, wem. Säure.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte ja auf Rodolfo
Fratelli getippt, aber die Stimme paßt nicht. Er spricht rauh und polternd.
Kaum zu verwechseln.“
Fratelli war ein großes Tier in einem Mafia-Clan.
„Könnte er nicht einen beauftragt haben?“ fragte ich.
Er zuckte die Achseln. „Ich kümmere mich drum. Kann
ich darüber berichten?“
Ich überlegte. „Weißt du, ich war nicht bei der
Polizei. Wahrscheinlich, weil ich stocksauer auf Bobby Mallory
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