Froschkuss (German Edition)
Sylt war Wohnraum sehr wertvoll, deshalb war es durchaus üblich, einige Wohnräume dort unterzubringen. Ich stieg die Treppen hinab und fand tatsächlich das kleine Schlafzimmer, dessen Wände dunkelrot gestrichen waren. Das französische Bett sah gemütlich aus, und ich ließ mich darauf fallen. Die Matratze war okay, nicht zu weich und nicht zu hart. Mein Magen knurrte, denn ich hatte seit dem Müsli heute morgen nichts gegessen, deshalb ging ich nach oben in die Küche. Erwartungsgemäß war der Kühlschrank blitzsauber und leer und in den weißen Hängeschränken im Friesenstil befanden sich außer Geschirr, Gläsern und Holzbrettchen nur eine Flasche Olivenöl, eine angebrochene Packung Tütensuppe „Tailänder Art“, wahrscheinlich von dem Vormieter zurückgelassen, und eine Dose Tee. Ich hatte keine Lust, gleich einkaufen zu gehen, deshalb beschloss ich, erst einmal nach List zu fahren, um bei Gosch eine Kleinigkeit zu essen und erst auf dem Rückweg im Supermarkt in Westerland das Nötigste für die paar Tage zu besorgen.
Der Parkplatz am Hafen war total überfüllt, kein Wunder, denn während der Osterfeiertage war die Insel meistens ausgebucht, dazu kamen noch die Tagesgäste, die mit den Adler-Schiffen zum Beispiel von der Halbinsel Rømø in Dänemark anreisten. Zudem hatte List mit dem riesigen Erlebniszentrum Naturgewalten, ein imposantes wellenartiges blaues Gebäude mit orangefarbenem und elipsenförmigem Dach, eine neue Attraktion erhalten, die jede Menge Familien mit Kindern anlockte. Auf dem Platz direkt an der Mole tummelten sich Urlauber in dicken Jacken, aber auch Einheimische. Gosch, die „Nördlichste Fischbude“, war wie immer proppenvoll, aber ich schlängelte mich energisch durch das Gedrängel, vorbei an überfüllten Tischen und Glastresen, bis ich endlich eine Portion Scampi mit Cocktailsoße ergattert hatte und damit mit nach draußen ging. In den vergangen Jahren hatte sich hier einiges geändert, nicht unbedingt zum Vorteil, meiner Meinung nach. Als ich als Schülerin mit meinen Eltern hier war, gab es zwar auch schon Gosch, aber nicht in diesen Ausmaßen. Der „erfolgreichste Fischhändler Deutschlands“, der mittlerweile wohl schon über 70 sein musste, war als Maler auf die Insel gekommen und hatte zunächst nach Feierabend mit einem Bauchladen Fischbrötchen verkauft. Damit war er so erfolgreich, dass er seinen Job aufgab und sich ausschließlich dem Fischverkauf widmete. Mittlerweile gab es an jeder Ecke auf Sylt einen Gosch-Stand und Lizenznehmer in ganz Deutschland vertrieben seine Produkte. Die große Verkaufshalle mit Panoramafenstern in List war ein Aushängeschild und dominierte den gesamten Platz, der aufgrund der vielen anderen Lokale, Souvenirläden und Crêpe- und Imbissständen fast wie ein Jahrmarkt wirkte. Ich tunkte mit meinem Weißbrot den Rest der Soße vom Teller und brachte ihn zurück. Leider war ich immer noch hungrig, aber ich wollte hier nicht noch mehr Geld ausgeben, deshalb machte ich mich auf den Weg nach Westerland zu Famila, der im Industrieweg lag und einen guten Bäcker hatte. Ich schnappte mir einen Einkaufswagen und schob ihn zum Eingang, vorbei an Schütten, die mit Luftmatratzen, Kinderkeschern, Isomatten und Grillkohle gefüllt waren. Im Supermarkt versuchte ich erst einmal, mich zu orientieren, denn obwohl fast alle nach dem gleichen Prinzip ausgestattet waren, erst das Obst, dann Konserven, der Kühlbereich mit Butter, Milch und abgepackten Käseprodukten, Brot und Brötchen und schließlich die Käse- und Fleischtheke, fiel es mir schwer irgendwo einzukaufen, wo ich nicht jeden Tag hinging. Ein paar Biotomaten, Basilikum, Aufbackbaguette, Honig, Butter und löslicher Kaffee sowie Milch und Müsli landeten in meinem Wagen. Die Preise waren ganz schön überteuert, aber das war in allen Urlaubsorten so, die ich bisher kennen gelernt hatte. Schließlich fehlte mir nur noch eine Flasche meines Lieblings-Proseccos, denn ich hatte beschlossen, abends in meinem Apartment zu bleiben und mir gemütlich einen Film anzuschauen, während der Osterfeiertage war das Fernsehprogramm nämlich einigermaßen erträglich. Endlich hatte ich das Regal mit Prosecco und Sekt entdeckt. Ich staunte nicht schlecht, denn hier gab es mehrere Sorten Champagner und Winzersekt, offensichtlich hatte man sich auf die gut betuchte Kundschaft eingestellt. Alle Sorten waren reichlich vorhanden, nur von meinem Lieblingsprosecco stand nur noch eine einsame Flasche auf dem
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