Froschkuss (German Edition)
hätte ich den ganzen Inhalt ausgeschüttet und gereinigt und den ollen Kulturbeutel in die Waschmaschine gesteckt. Das wäre allerdings sogar ein Fauxpas der schlimmsten Sorte, wenn Leon mein Freund wäre, deshalb stellte ich den Beutel in der identischen Ausrichtung zurück auf seinen Platz.
Kurze Zeit später fuhr ich auf die Autobahn in Richtung Flensburg und drehte das Radio etwas lauter. Ich hatte nur eine kleine Tasche für Sylt gepackt, Freizeitklamotten, ein schwarzes Minikleid, falls ich doch ausgehen wollte, was ich eigentlich nicht vorhatte, einen Krimi, den ich gerade angefangen hatte zu lesen, mein Beautycase und eine warme, gefütterte Jacke, denn im April konnte es auf Sylt richtig kalt sein. Ich freute mich darauf, einmal alleine unterwegs zu sein, obwohl ich eigentlich gern mit Karla gefahren wäre, aber die hatte keine Zeit, weil sie bei Karim in Hamburg war. Nach vierzig Minuten bog ich auf die B199 in Richtung Niebüll ab. Dort angekommen fuhr ich meinen Golf in das Parkhaus direkt am Bahnhof und bestieg kurze Zeit später den Zug nach Sylt. Ich bekam einen Platz direkt am Fenster und stellte meine Tasche zwischen meine Füße. Mit der Fahrt über den Hindenburgdamm begann für mich schon der Urlaub, denn der Blick auf das Watt und die Nordsee wirken auf mich immer herrlich entspannend. Der Zug rumpelte an den Lahnungsfeldern vorbei, durch die weiteres Land gewonnen werden sollte. In den Entwässerungsgräben schimmerte das Nordseewasser und auf dem gewonnenen Boden grasten junge Schafe. Für die Insel Sylt ist der Küstenschutz eine sehr wichtige Aufgabe, denn jedes Jahr reißt die Nordsee riesige Sandmassen mit ins Meer. Deshalb muss immer wieder Sand aufgeschüttet werden, der von Baggerschiffen vor der Westküste abgepumpt und dann an der Küste von Sylt aufgespült wird. Während meines Volontariats hatte ich einmal eine Reportage über dieses Thema gemacht, deshalb wusste ich darüber ganz gut Bescheid. Für Lars waren solche langweiligen „Ökothemen“ überhaupt keine Geschichten für sein Lifestylemagazin Citylight, er war nur an Prominews interessiert, am liebsten direkt aus der Sansibar oder der Sturmhaube in Kampen. Der Zug fuhr in den Bahnhof von Westerland ein und hielt quietschend. Ich griff meine Tasche und beeilte mich, das Abteil zu verlassen, denn ich wollte keine Zeit verlieren, um zu meinem Apartment zu gelangen. Draußen wirbelte ein böiger Wind meine frisch gewaschenen Haare durcheinander und mein Blick blieb an der Skulptur der „Reisenden Riesen im Wind“ hängen, eine grellgrüne Familie in Schräglage, die seit 2001 den Vorplatz des Bahnhofes von Westerland zierte. Ich konnte diesem Kunstwerk von Martin Wolke (wenn man schon so heißt) nicht wirklich viel abgewinnen und beeilte mich, in die Boyensstraße zu gelangen, wo sich Syltcar befand. Ich hatte telefonisch einen Renaut Clio mit einer Drei-Tages-Flat gebucht, und deshalb erhielt ich ohne große Wartezeit meine Papiere und den Autoschlüssel. Ich lenkte mein Leihauto, das noch ganz neu roch, in Richtung Hörnum und freute mich wie ein Schneekönig, bald mein Feriendomizil in Rantum zu erreichen. Der kleine Ort befindet sich an der schmalsten Stelle von Sylt, auf einer Seite das Watt und auf der anderen Seite die Nordsee, und ist noch ein Geheimtipp, obwohl die mittlerweile legendäre Sansibar nicht weit ist. Das kleine Reetdachhaus, in dem sich die von meinen Eltern gemietete Ferienwohnung befand, lag etwas zurückgesetzt von der Straße, an der ich direkt mein Leihauto parkte. Ich kramte den Zettel mit dem Zahlencode für den Schlüsselsafe heraus, öffnete ohne Probleme das kleine graue Türchen und endlich war ich angekommen. Der kleine Flur war dunkel, und ich stellte erst einmal meine Tasche ab. Es roch etwas muffig, und ich betrat den Wohnraum, der sehr geschmackvoll und im typischen Sylter Stil eingerichtet war, mit einem blauweiß gestreiften Sofa und zwei Korbsesseln sowie einer Essecke, in der ein weißer Holztisch mit sechs Stühlen stand, auf deren Sitzflächen sich hellblaue Kissen befanden. Ich schob die Gardinen des Fensters zur Seite und erblickte die kleine Terrasse mit einem Strandkorb und einem Teaktisch mit vier Stühlen. Ich öffnete die Tür und atmete erst einmal tief durch. In der Ferne sah ich das Watt, wenn das nicht ein perfekter Ausblick war! Die offene Küche befand sich direkt neben der Essecke, aber wo war das Schlafzimmer? Ich drehte mich um und sah einen Eingang zum Keller. In
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