Froschkuss (German Edition)
Begegnung mit Lars noch einmal Revue passieren. Ich war innerlich so aufgewühlt, dass ich beim Bezahlen mit meiner EC-Karte meine Pin-Nummer vergessen hatte. Sie fiel mir auch nicht wieder ein, und die anderen Kunden ließen schon genervte Bemerkungen los. Zum Glück hatte ich noch genügend Bargeld dabei, auch wenn ich die letzten 98 Cent mit Kleinstgeld bezahlen musste. Ich schob meinen Einkaufswagen zurück zu meinem Leihwagen, schmiss meine Einkäufe auf die Rückbank und fluchte leise über die Kälte und den Wind. Was für eine Mistidee war es eigentlich gewesen, statt meiner Eltern nach Sylt zu fahren, wo sich um diese Zeit nur Blödmänner aufhielten? Beim Anfahren würgte ich das arme Auto erst einmal ab, denn das Spiel mit Kupplung und Gas war mir bei dem Clio noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Als ich endlich wieder in meinem Ferienapartment war, atmete ich erleichtert durch, sortierte meine Einkäufe in den Kühlschrank und die Hängeschränke und stellte die Sektflasche ins Gefrierfach, damit sie schneller kalt werden würde.
Dann trug ich meine Tasche runter ins Schlafzimmer und drapierte meine Klamotten und Unterwäsche, ein schwarzer Tanga und ein dazu passender Spitzen-BH waren auch dabei, zunächst auf mein Bett, um die Teile anschließend sorgfältig in dem mit Blumen bemalten grünen Bauernschrank zu verstauen. Mein Beautycase brachte ich ins Badezimmer, das sich schräg gegenüber dem Schlafzimmer befand und nur mit einer Dusche und einem Waschbecken ausgestattet war. Ich suchte nach einer Ablagemöglichkeit für meine Cremes und Schminksachen, aber Fehlanzeige. Seufzend schloss ich das einzige Fenster, durch das fahles Abendlicht in den kleinen weiß gekachelten Raum drang, und stellte meine Heiligtümer in Reih und Glied auf die breite Fensterbank. Ich hatte dabei ein ganz bestimmtes System, das ich in jeder Situation automatisch ausführen konnte: Zunächst stellte ich meine Tages- und Nachtcreme nebeneinander, davor meine Blütenfeuchtigkeitslotion und das Serum gegen Falten. Ich war zwar erst 26 Jahre alt, aber man konnte nicht früh genug beginnen, die ersten Anzeichen der Hautalterung zu bekämpfen, das las man schließlich auch in allen relevanten Frauenzeitschriften. In die zweite Reihe platzierte ich meine Körperlotion und das Anti-Cellulite-Gel und etwas schräg versetzt meine kleine schwarze Kosmetiktasche, in der sich Eyeliner, Wimperntusche, Puder, Abdeckstift und eine Wimpernzange befanden. Zahnbürste und -creme kamen hingegen auf die Ablage unterhalb des rundum beleuchteten Spiegels über dem Waschbecken. Fertig! Nun fühlte ich mich schon besser, aber immer noch überdreht und irgendwie unausgelastet, denn außer essen, Auto fahren und mich ärgern hatte ich heute nichts Erfreuliches erlebt. Also schlüpfte ich in meinen grauen Trainingsanzug, schnappte mir meine Laufschuhe und lief ab der Haustür meines Apartments in Richtung Nordsee, wozu ich erst einmal die Hauptstraße von Rantum überqueren musste. Ich blickte auf meine Uhr, denn ich hatte vor, mindestens eine halbe Stunde zu laufen. Leider versagte mein Zeitgefühl, wenn ich Sport machte. Oft hatte ich gedacht, dass ich mindestens eine Stunde gelaufen sei, dabei waren beim nach Hause kommen erst zwanzig Minuten vergangen. Die Uhr verhinderte, dass ich mich selbst beschummelte. Ich lief eine Straße entlang, die am Söl‘ring Hof Sylt vorbei führte, einem reetgedeckten Restaurant der Spitzenklasse, indem Johannes King, einer der besten Köche Deutschlands, seine Gäste verwöhnte. Eine lange Kiesauffahrt führte zu dem weißen schmucken Gebäude, vor dem ein schwarzer Rolls Royce parkte. In einem Sylt-Magazin hatte ich gelesen, dass man dieses Luxusfahrzeug samt Chauffeur mieten konnte. Ich joggte über einen grauen Holzbohlenweg über die Dünen und zog die Kapuze meines Sweatshirts hoch, weil der Wind heftig war und meine Ohren von der Kälte schon schmerzten. Schließlich erreichte ich den breiten Sandstrand und blickte begeistert auf die Nordsee, die von vielen kleinen Schaumkronen bedeckt war. Dunkle Wolken stiegen am Horizont auf und Möwen kreisten über der Wasseroberfläche. Allmählich wurde es immer dunkler, trotzdem joggte ich noch eine Weile am Spülsaum entlang, bis ich keine Lust mehr hatte und umkehrte. Total verschwitzt erreichte ich mein Apartment, froh mich zum Laufen aufgerafft zu haben, denn nun fühlte ich mich schon besser. Nachdem ich geduscht und eine Kleinigkeit gegessen hatte,
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