Froschkuss (German Edition)
das Baby herein, das in einem mit Teddys bedrucktem Schlafsack steckte, und ließ sich vorsichtig auf ihr Sitzkissen fallen. Sie schob ihr dünnes T-Shirt hoch und hielt dem Säugling ihre Brustwarze entgegen. Die Kleine öffnete den Mund und fing sofort an zu trinken. Betty verzog das Gesicht, sie sah aus, als ob sie Schmerzen hätte. „Tut das weh?“, fragte ich besorgt, denn ich hatte das Stillen einer Frau noch nie aus der Nähe betrachtet. „Geht schon“, erwiderte Betty, aber so ganz mochte ich ihr das nicht glauben. „Hast du denn jemanden, der sie dir einmal abnimmt?“, fragte ich neugierig, denn ich traute mich nicht, sie direkt nach dem Vater ihres Kindes zu fragen. „Nee“, erwiderte sie, „meine Eltern wohnen doch in München. Aber das ist schon okay.“ Als Luisa genug getrunken hatte, fragte mich Betty, ob ich ihr beim Wickeln zuschauen wolle. Ich stellte meine Teeschale auf den Tisch zurück: „Na klar, gern!“ Das Kinderzimmer war sehr gemütlich und kuschelig eingerichtet. An der einen Seite stand eine Kieferkommode mit mehreren Schubladen, auf der sich eine Wickelunterlage befand. Darüber schwebte ein Mobilee mit Delfinen und Seejungfrauen. In der Mitte des Raumes, auf dessen Holzfußboden ein bunter Flickteppich lag, stand ein Babykörbchen mit einem rosafarbenen Himmel. Betty legte ihr Baby vorsichtig auf die Unterlage und griff links in ein weißes Regal, in dem Windeln, Feuchttücher und verschiedene Cremetuben untergebracht waren. Sie nahm eine Windel und begann, Luisa zu entkleiden. Die Luft in dem Raum war stickig und es roch nach Babyöl. Luisa war ein wirklich süßes Baby. Sie hatte ein rundliches Gesicht, blaue Augen und einen schmalen Körper. Dunkelbraune Löckchen kräuselten sich um ihre hohe Stirn und ihre Lippen waren fast herzförmig. „Oh, ist die süß!“, sagte ich und hielt der Kleinen meinen Zeigefinger hin, den sie sofort fest umschloss. Ganz schön kräftig, so ein Baby, dachte ich und überlegte, ob ich wohl auch bald Kinder bekommen würde und von wem? Luisa strampelte wie wild, als Betty ihr die volle Windel abnahm und ein strenger Geruch sich im Raum ausbreitete. „Oh ha, das riecht ja heftig“, entfuhr es mir peinlicherweise, aber Betty reagierte sehr entspannt: „Für Mütter ist das der schönste Duft der Welt.“
Als Luisa frisch gewickelt und in einem rosa Strampelanzug auf ihrem Lammfell im Arbeitszimmer lag, bemerkte ich mit einem Blick auf die Uhr, dass es schon spät geworden war. Ich versprach Betty, sie einmal bei ihrem täglichen Spaziergang mit dem Kinderwagen zu begleiten und sie über die Entwicklungen in der Redaktion auf dem Laufenden zu halten. Betty brachte mich zur Tür: „Mensch, jetzt fällt mir ein, wo ich diese Celine schon einmal gesehen habe. Auf einem Foto mit diesem Geschäftsführer von Nordmedia.“
„Du meinst Blome?“
„Ja genau, kennst du den?“
„Der hatte heute einen Termin mit Lars.“
Leon war mit Freunden unterwegs, „kann spät werden“ hatte er morgens noch gesagt, und deshalb konnte ich ausnahmsweise einmal in Ruhe an meinem Schreibtisch sitzen. Es roch muffig in dem Raum, in dem mein Mitbewohner nun schon vier Wochen residierte, und ich öffnete das Fenster. Leider hatte es mit der Altbauwohnung am Schrevenpark nicht geklappt, die sei zu teuer gewesen, hatte mir Leon nach meiner Rückkehr von Sylt lapidar mitgeteilt. Seitdem hatte ich nichts mehr von neuen Besichtigungsterminen gehört, ich musste mich wirklich einmal ernsthaft mit ihm unterhalten, denn unsere Wohngemeinschaft konnte nun wirklich kein Dauerzustand werden. Ich platzierte meinen Mac genau in der Mitte des Schreibtisches und tippte „Blome Nordmedia“ in das Suchfeld von google, als ich zwei Kaffeebecherränder entdeckte. Genervt ließ ich meine Finger darübergleiten: „Total klebrig“, sagte ich zu mir selbst und holte einen Lappen aus der Küche, um die weiße Oberfläche meines Schreibtisches gründlich zu säubern. Ich musste den Lappen zweimal ausspülen, so dreckig war alles. Danach rückte ich noch einmal meinen Laptop in die Mitte und stellte den Locher und den Stiftehalter in eine Linie. Ich drückte Return und betrachtete die Suchergebnisse, die google für den Begriff „Blome Nordmedia“ gefunden hatte. Herr Blome, den ich bislang ja noch nicht gesehen hatte, hieß mit Vornamen Bernd und war erst 47 Jahre alt. Auf den Fotos, die es von ihm gab, sah er sehr „smart“ und hanseatisch aus. Er war kräftig gebaut,
Weitere Kostenlose Bücher