Froschkuss (German Edition)
viel in der Medienbranche so gemunkelt wird. Aber dieser Blome ist doch nicht ohne Grund hier, oder?“
„Keine Ahnung“, „erwiderte ich, „glaubst du, das würde für uns irgendetwas ändern?“
„Aber natürlich! Was glaubst du denn? Wir verlieren alle unseren Job, darauf kannst du Gift nehmen.“
9. Kapitel
Ich parkte meinen Golf auf dem Blücherplatz und klemmte mir meine Handtasche unter den Arm, während ich die Tür zuschlug. Ich blickte zu dem braunweißen Haus an der Ecke hoch, in dem unten eine Bäckerfiliale war. Wie praktisch, dachte ich, wenn Betty morgens Brötchen haben will, braucht sie einfach nur nach unten zu laufen. Leider wohnte meine Kollegin ganz oben, deshalb war ich außer Atem, als ich an ihrer Tür klingelte, die sofort geöffnet wurde. „Pscht!“, ermahnte mich Betty, „Luisa schläft.“
„Oh, sorry“, erwiderte ich schuldbewusst, aber woher sollte ich das auch wissen? „Komm rein!“, forderte mich Betty auf, und ich folgte ihr ins Arbeitszimmer, das von einem über die Ecke gehenden IKEA-Schreibtisch mit zwei großen Mac-Bildschirmen dominiert wurde. Das Zimmer war hell und freundlich, vor allem aufgrund der zwei Fenster, von denen aus man einen super Blick auf den Blücherplatz hatte. Gegenüber des Schreibtisches standen ein kleines rotes Sofa mit bunten Blumenkissen und ein Tisch aus weiß gebeiztem Holz. Betty bot mir an, mich zu setzen, und verschwand kurz in der Küche. Auf dem linken Bildschirm sah ich den ersten Layout-Entwurf der Maiausgabe von Citylight. Mein Artikel über das Kitesurfen von Sylt war bereits fertig. Ein Foto, das Malte mir geschickt hatte, füllte eine komplette ganze Seite und sah wirklich toll aus. Ich stand auf, um mir alles genauer zu betrachten. Malte schwebte mit seinem Drachen halb nach oben gedreht über einer riesigen schaumgekrönten Welle. „Sieht cool aus, nicht?“, fragte mich Betty, die mit einem Tablett aus der Küche zurückgekehrt war. Sie stellte die blaue Teekanne, zwei Teeschälchen und einen Teller mit Dinkelkeksen ab und lud mich ein, mir etwas einzuschenken. Sie wolle nur kurz sehen, ob mit Luisa alles in Ordnung sei. Als sie erneut ins Zimmer kam, fiel mir auf, wie übermüdet meine Kollegin aussah. Ihre Gesichtsfarbe war fahl, ihre Wangen wirkten eingefallen und ihre braunen Augen waren dunkel umschattet. Betty war schon immer sehr schlank gewesen, aber nun wirkte sie richtig mager und das, obwohl sie erst vor Kurzem entbunden hatte. Dieser Eindruck wurde noch durch ihre Kleidung verstärkt. Sie trug eine enge schwarze Röhrenjeans und ein dünnes schwarzes T-Shirt, unter das sich jede Rippe abzeichnete. „Hast du abgenommen?“, fragte ich sie, während ich mir den dritten Dinkelkeks in den Mund schob und mit einem großen Schluck grünem Tee nachspülte, der an den Geschmack von nassem Heu erinnerte. Betty, die auf einem bunten Sitzkissen im Schneidersitz vor mir Platz genommen hatte, strich sich eine Strähne ihres hellbraunen Haares aus dem Gesicht und lächelte gequält: „Ja, ich hab’ einfach gar keinen Hunger“, erwiderte sie und nippte vorsichtig an ihrer Teeschale. „Luisa hält mich den ganzen Tag auf Trab.“ Kein Hunger, das hätte ich gern auch einmal, dachte ich, denn ich habe eigentlich immer Appetit, verkneife mir das Essen nur, weil ich nicht dick werden will. Ich kramte in meiner Handtasche nach dem Stick, auf dem ich das „Hammerfoto“ von Celine gespeichert hatte. „Hier, das soll das Cover-Foto werden.“ Betty stellte ihre Tasse ab, ging zu ihrem Arbeitsplatz und übertrug das Foto auf ihren Rechner. Sie setzte sich auf ihren Bürorollstuhl und klickte es an: „Wow, die sieht aber toll aus! Wer ist denn das?“
Ich erzählte Betty alles, was ich über Celine wusste, angefangen von meiner ersten Begegnung mit ihr auf der Raststätte Holmmoor bis hin zu meiner Vermutung, dass sie mit Lars auf Sylt gewesen war. „Glaubst du das wirklich?“, fragte mich Betty, die nun wieder neben mir Platz genommen hatte, „Lars ist doch nicht der Typ, der etwas mit einer Mitarbeiterin anfängt.“ Sie ging noch einmal zu ihrem Mac und schüttelte den Kopf: „Die kommt mir irgendwie bekannt vor, ich habe sie schon einmal auf einem anderen Foto gesehen.“
„Sie arbeitet als Model, vielleicht auf einem Modefoto?“
„Ja, das kann sein ...“
Ein greller Schrei drang zu uns aus dem benachbarten Kinderzimmer herüber und Betty zuckte erschrocken zusammen: „Luisa!“ Als sie zurückkam, trug sie
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