Frost, Jeaniene
kamen. Web hatte ihr ein Messer in den Bauch gestoßen, ihr
Blut ergoss sich aufs Deck und jedes Zucken seiner Hand ließ das entsetzliche
Pochen in ihr anschwellen.
Die
Blutlache zu ihren Füßen löste eine Bilderflut in ihrem Kopf aus. So viele
leuchtende Augen. Kühle Leiber überall. Blut wird folgen. Tod auch. So ist es
immer.
Statt der
lähmenden Panik, die ihre Erinnerungen sonst allerdings in ihr auslösten,
spürte Denise diesmal eine ganz seltsame Woge aus Zorn in sich aufsteigen,
deren Intensität mit dem Schmerz zunahm.
»Zieh mir
das Messer raus.«
Denise
kannte ihre eigene Stimme nicht wieder. Sie klang leise und wild; nie zuvor
waren solche Laute aus ihrer Kehle gekommen.
»Klappe«,
befahl Web, den es zu überraschen schien, dass sie sich überhaupt zu Wort
gemeldet hatte. »Ich verliere allmählich die Geduld. Bringt mir Nathanial,
oder sie verliert noch mehr Blut.«
Ganz
langsam tauchte Cat aus dem Bootsbauch auf, Nathanial vor sich herführend. Kurz
bevor sie Web erreicht hatte, blieb sie stehen.
»Dein
Handlanger soll ihn holen, dann könnt ihr abziehen. Aber wenn du versuchst,
Denise zu entführen oder ihr was passiert, grille ich dich bei lebendigem
Leib«, knurrte sie. Ihre Hände wurden blau, orangefarbene Funken rieselten auf
Deck.
»Aufhören,
oder ich mach sie alle!«, raunzte Web, während etwas Scharfes sich in Denises
Hals grub. Er hat zwei Messer, wurde ihr klar. Eins hält
er mir an die Kehle, und eins steckt in meinem Bauch.
Instinktiv
befühlte sie ihre Bauchwunde, spürte Webs kühle Finger auf dem Heft des Messers
und ihr eigenes warmes Blut, das ihr durch die Finger rann. Wieder überkam sie
Benommenheit, gefolgt von einer weiteren Schmerzattacke.
Dann sah
sie Spades Gesicht, in dem Verzweiflung und Wut um die Oberhand kämpften, und
sein Schmerz war es, der einen Schalter in ihr umlegte.
»Lass mich los.«
Doch statt
der Worte hatte sie nur ein unartikuliertes Fauchen ausgestoßen. Bones Augen
weiteten sich vor Staunen. Das Gefühl der Ungezähmtheit in ihr wuchs, bis es
stärker war als ihre Schmerzen.
»O mein
Gott«, flüsterte Nathanial.
Denise
löste die Hände von ihrem Bauch, packte die Arme, die sie mit den Messern
bedrohten und zerrte wie wild daran. Im gleichen Augenblick stürzte Spade sich
auf sie beide.
28
Spade
schlug Web zu Boden, um zu verhindern, dass dieser Denise die Kehle
aufschlitzte oder sie ausweidete. Das Entsetzen verlieh ihm noch mehr Tempo,
als er Web die Messer entwand und sie dann ins Meer schleuderte.
Web
taumelte rückwärts; das Loch, das Denise mit ihren Klauen in seine Arme
gerissen hatte, schloss sich vor seinen Augen wieder. Ihre Hände hatten sich,
Sekunden bevor sie ihn angegriffen hatte, in monstermäßige Krallen verwandelt,
die ihre Handschuhe durchstießen, während sich ihre Augen in einem
unnatürlichen Winkel schräg stellten.
»Kätzchen,
pass auf Nathanial auf«, hörte Spade Bones rufen, doch er nahm es kaum wahr. In
seinem Innern wütete die Blutgier mit ungeheuerlicher Wucht. Er musste Denise
nach unten bringen, um sie zu heilen. Er musste Web jedes einzelne Glied vom
Körper reißen.
Seine
Entscheidung fiel, als er das Blut sah, das noch immer aus Denises Bauch
strömte. Spade schwang sie nach oben, verpasste Web einen Tritt, der hart genug
war, um ihn gegen den Bug zu schleudern, und ließ ihn dort zurück, während er
sich beeilte, sie unter Deck zu bringen.
Denise
wehrte sich; ein Knurren drang aus ihrer Kehle, und ihre schönen
haselnussbraunen Augen füllten sich mit Röte. Spade sprang den Niedergang
hinunter, der zu den Schlafräumen führte, und riss mit seinen Fängen sein Handgelenk
auf.
»Trink«,
befahl er und hielt ihr sein blutendes Handgelenk an den Mund.
Denise
versuchte, ihren Kopf wegzudrehen, doch Spade zwang die Tropfen seines Bluts in
ihren Mund. Sie schluckte, zog eine Grimasse. Als sein Handgelenk zu rasch
heilte, biss Spade es von Neuem auf, diesmal, um sein Blut direkt auf die
Stichwunde in ihrem Bauch zu tröpfeln.
Denise
keuchte, als diese grässliche Wunde zu verheilen begann, und noch immer kamen
anstelle von Worten diese Geräusche über ihre Lippen. Spade setzte sie in der
Kabine aufs Bett und musterte sie mit zunehmender Panik. Ihre Verletzung war
verheilt; warum sah es trotzdem so aus, als würde es ihr immer schlechter
gehen?
»Denise,
sieh mich an. Sag mir, was los ist«, drängte er.
Ihre Augen
waren jetzt komplett rot, standen schräg in diesem unmöglichen
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