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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Brunst. Ihr Verlangen kennt keine Grenzen.
Wolltest du das von mir wissen?«
    »Ich will bloß, dass du ehrlich bleibst«, sagte Chey mit einer
Heiterkeit in der Stimme, die sie in Wirklichkeit gar nicht verspürte. Sie
hatte ihn herausgefordert, und er hatte auf ihren Angriff reagiert. Hier wurde
nicht herumgeblödelt. Dies war kein Spiel. Aber das wollte sie noch nicht
offenlegen. Vor allem wenn sie in der Verliererecke stand.
    Vielleicht war auch er diesen Ringkampf leid. Er wechselte rasch das
Thema. »In den ersten Jahren jagten wir ungestört. In Frankreich herrschte das
Chaos. Es gab keine Zivilbehörden, die uns aufhalten konnten, und das Militär
hatte kein Interesse an der Jagd auf mythische Kreaturen. Aber das änderte sich
nach dem Krieg. Die Baronin war immerhin klar genug und erkannte, dass wir
nicht länger im Mondlicht durch das Land streifen konnten. Wenn wir Wölfe
waren, teilten wir uns den Käfig und lebten nach Monduntergang wie die
Menschen. Wir gaben vor, eine einst aristokratische französische Familie zu
sein, die allmählich ihrem Ende entgegendämmerte. Die Dorfbewohner in der
Nachbarschaft versorgten uns mit allem Nötigen und stellten keine Fragen. Falls
mein merkwürdiger Akzent auffiel, hielt man mich offenbar für einen Deserteur.
Und das war ja auch nicht ganz falsch.
    Wir hatten nur undeutliche Erinnerungen an das Entsetzen und den Zorn, den unsere Wölfe verspürten,
wenn sie eingesperrt waren. Aber in meinen Träumen tauchten immer Eindrücke
unserer Panik auf, und selbst in meinen stillsten Augenblicken verspürte ich
Klaustrophobie und Unruhe. Ich verlor nach und nach den Verstand, so wie Lucie
im Lauf der Jahrzehnte. Ich wollte keinen
völligen Zusammenbruch erleiden, so wie er ihr widerfahren war. Ich
sagte den beiden Frauen, ich wolle gehen. Nach Kanada zurückkehren, in meine
Heimat, und mir dort ein Leben aufbauen. Ich berichtete ihnen, dass es dort
echte Wölfe gebe und Orte, an denen wir frei seien. Die Baronin wäre vielleicht
mit mir gekommen, aber Lucie nahm es schwerer auf als erwartet.«
    »Es gab also eine Trennung im Bösen?«
    »Sie wollte mich umbringen«, erwiderte er. »Ich konnte gerade noch
entkommen – und selbst danach verfolgte sie mich weiter. Sie folgte mir
jahrelang, blieb in unmittelbarer Nähe, wartete darauf, dass ich einen Fehler
beging.«
    »Mein Gott!«, rief Chey. »Was ist passiert?«
    »Wie ich bereits sagte, lässt sich Hass nur schwer aufrechterhalten.
Selbst bei Verrückten. Liebe hingegen … Liebe stirbt nicht so einfach. Sie ist
noch immer irgendwo da draußen. Jagt noch
immer hinter mir her, auch wenn ich ihr seit geraumer Zeit entkommen
bin. Ich habe sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen, aber ich weiß, dass
sie und ich noch lange nicht miteinander fertig sind.«

18   Powell
trank einen Schluck Wasser aus einer alten zinnernen Feldflasche und fuhr mit
seiner Geschichte fort. »Ich verließ das Schloss neunzehnhundertzwanzig. Glaube
ich zumindest. Ich hatte jeden Bezug zur Zeit verloren. Nachdem ich nicht mehr
in der Gesellschaft lebte und jeder Tag wie der andere ablief, schenkte ich
Uhren und Kalendern keine Beachtung mehr. Als ich in die menschliche Zivilisation
zurückkehrte, fühlte ich mich wie benebelt und wusste zuerst nicht genau, wo
ich mich überhaupt befand. Schnell musste ich entdecken, dass es nicht so
einfach war, mich einzufügen. Der Mond geht auf, wenn die Zeit gekommen ist,
und die Verwandlung ist nicht aufzuhalten. Ich musste einen sicheren Ort
aufsuchen, wenn das geschah. Dadurch waren kaum neue Freundschaften zu
schließen, und eine Arbeit zu finden, war so gut wie unmöglich. Ich musste in
dieser Zeit oft unter freiem Himmel schlafen und verbrachte meine menschlichen
Stunden mit Überlegungen, wie ich überleben sollte, wie ich meinen Weg in der
Welt finden sollte. Zu meiner Familie konnte ich nicht zurück, das war mir
klar. Sie würden es nicht verstehen – und was wäre, wenn ich einen von ihnen
verletzte? Ich musste meine eigene Identität erschaffen, völlig neu. Kannst du
dir vorstellen, wie das ist?«
    Chey hob die Schultern. Vielleicht hatte sie da eine gewisse
Ahnung …
    »Ohne Plan, ohne Geld und mit diesem schrecklichen Fluch, der mich
zwang, an jedem Tag meines Lebens komplizierte Vorbereitungen zu treffen,
geriet ich von einer Zwangslage in die nächste. Ich folgte den
Eisenbahnschienen und forschte überall nach einer Möglichkeit, meinen Zustand
rückgängig zu machen. Aber natürlich

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