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Frostblüte (German Edition)

Frostblüte (German Edition)

Titel: Frostblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Marriott
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war nicht zu übersehen. Arian saß ebenfalls bei ihnen. Er redete ernst auf Luca ein, die Art, wie er die Hände ausstreckte, hatte etwas Flehendes. Es war nicht zu erkennen, ob Luca zuhörte oder nicht. Er hielt den Blick gesenkt, der größte Teil seines Gesichts war von frischen weißen Stoffschichten verdeckt.
    Diese Verbände stammten nicht von Livia und Rani. Sie waren auf Lucas Gesicht gewesen, als er am Tag, nachdem er Arian und mich zusammen gesehen hatte, aus seinem Zelt gekommen war. Seitdem hatte er sie nicht ein einziges Mal abgenommen. Nicht, wenn er aß. Nicht, wenn er mit verschiedenen Mitgliedern der Berggarde trainierte, einen nach dem anderen brutal angriff und schlug, bis seine Muskeln sichtbar zitterten und der kahl geschorene Schädel schweißnass war. Nicht, als er Dinesh ins Gesicht schlug und ihm die Nase brach, so dass Blut in alle Richtungen spritzte und den weißen Stoff auf Lucas Wunden tränkte. Nicht einmal – so wurde erzählt – wenn er im Fluss badete. Die Verbände waren jeden Morgen wieder frisch und sauber, doch niemand hatte bisher gesehen, dass Luca sie vor anderen auch nur anfasste.
    Ich hatte so gebannt auf die Verbände gestarrt, dass ich zunächst nicht merkte, dass Luca vom Tisch aufsah.
    Er blickte in meine Richtung.
    Ich atmete tief aus und erhob mich mit zitternden Knien. Ich konnte den Ausdruck in Lucas Augen nicht erkennen, doch es war das erste Mal seit einer Woche, dass er mich ansah und sicher, bitte, bitte …
    Luca schlug mit der Faust auf den Tisch und warf dabei eine Flasche um, die neben seiner Schüssel stand. Eine klare Flüssigkeit lief über den Tisch und tropfte über den Rand, während sein Finger die Luft durchbohrte, um vorwurfsvoll und zornig auf Arians Gesicht zu deuten.
    Arian stand abrupt auf und verließ das Zelt. Ich blieb unbeholfen stehen, bis Rani mir einen Teller mit gedämpften braunen Reiskuchen zuschob und mir die Teetasse in die Hand drückte. »Setz dich. Iss. Trink.«
    Ich ließ mich fallen und schlürfte gehorsam den Tee. »Livia?«
    »Hmm?« Die Heilerin musterte mich forschend mit vollem Mund.
    »Warum hasst du mich nicht?«
    Livia schluckte hastig ihr Essen herunter, hustete und nahm einen Schluck von ihrem Tee, bevor sie antwortete. »Du redest jetzt von meinem Arm, oder?«
    Ich nickte kläglich.
    »Es war meine eigene Schuld, Frost. Arian versuchte mich zu warnen. Er hat mir zugeschrien, dass ich mich von dir fernhalten solle, und ich habe nicht auf ihn gehört. Das war meine eigene Dummheit – ich mochte ihn nicht und ich wollte nicht auf ihn hören, obwohl ich sehen konnte, dass etwas mit dir nicht stimmte. Ich war selbst verantwortlich, und wenn ich dir die Schuld gäbe, wäre das nur ein Zeichen von noch größerer Dummheit.«
    Ich zögerte, dann sah ich Rani an. »Aber du dachtest, es wäre meine Schuld. Das hab ich dir angesehen.«
    Rani schnitt eine Grimasse, ihre großen dunklen Augen sahen beschämt aus. »Nur für kurze Zeit. Ich wollte vermutlich … jemanden haben, dem ich die Schuld zuweisen konnte. Für alles, was schiefgelaufen war. Doch selbst in meinen wütendsten Momenten wusste ich, dass es ungerecht war. Es tut mir leid.«
    »Ist schon gut«, sagte ich verlegen. Ich hatte keine Entschuldigung gewollt. Ich hatte es bloß verstehen wollen.
    »Außerdem, wenn ich nicht verletzt worden wäre, hätte Rani vielleicht nie den Mut aufgebracht, mir zu sagen, dass sie … na ja, dass sie mich mag«, sagte Livia mit einem verschmitzten Seitenblick auf die andere Heilerin. »Auf eine Art müssen wir dir also beide dankbar sein.«
    Rani wurde knallrot und schlug die Hand vors Gesicht. Irgendwie brachte ich ein schwaches Lächeln zu Stande. Rani machte gerade den Mund auf, um Livia eine verbale Abreibung zu verpassen, da wurde uns die erwartungsvolle Stille bewusst, die sich über das Verpflegungszelt legte.
    Luca wartete, die Arme vor der Brust verschränkt, demonstrativ darauf, dass Ruhe einkehrte. Die abweisende, abwehrende Haltung schmerzte mich sehr. Luca hatte die Welt immer mit offenen Armen begrüßt, furchtlos und lachend, hatte Vorsicht und Angst in den Wind geschlagen. Nun sah er aus, als fürchte er, seine eigenen Soldaten könnten sich gegen ihn erheben.
    Welchen Anteil an dieser Veränderung hatten die Quälereien seines Bruders und welchen der Schmerz, als er mich in Arians Armen sah? Machte das überhaupt irgendeinen Unterschied?
    Luca musste es so vorkommen, als hätte ihn jeder verraten, der ihm je etwas

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